von Eva C. Schweitzer
Ann Coulter provoziert gerne. Scheu ist für sie ein Fremdwort. Die US-Autorin und stramme Republikanerin meint zum Beispiel, der Oklahoma-Attentäter Timothy McVeigh hätte die Zentrale der New York Times in die Luft sprengen sollen. Sie fordert auch, in alle muslimischen Länder einzumarschieren, ihre Führer zu töten und die Bewohner zur Konversion zu zwingen. Coulter will das Frauenwahlrecht eliminieren und wirft dem japanischstämmigen Verkehrsminister Norman Mineta vor, er hasse Amerika. Sie mag Mel Gibsons Film The Passion of the Christ, lobt den Kommunistenjäger Joe McCarthy und den Irancontra-Waffendeal. Es geht auch noch heftiger: Verfassungsrichter John Paul Stevens solle man Rattengift geben und Bill Clinton ermorden lassen. Die Demokraten Al Gore und John Edwards seien »Schwuchteln«, Muslime »Affen« und die Witwen vom 11. September 2001 »Harpyien, die den Tod ihrer Männer genießen«.
Ann Coulter schreckt vor nichts zurück.
Nun hat sie es aber offenbar übertrieben. Die Provokateurin hat im Fernsehsender CNBC während des Gesprächs mit dem jüdischen Moderator Donny Deutsch gesagt, Juden müssten Christen werden, um »perfekt« zu sein. Auf Nachfrage von Deutsch legte Coulter nach: »Amerika ist eine christliche Nation.« Daraufhin brach Empörung aus: Das sei die »klassische Sprache der Antisemiten«, sagte Rabbi Martin Hier vom Simon-Wiesenthal-Institut. Die Anti-Defamation-League nannte Coulters Äußerungen einen »Rückfall in die jahrhundertealte Tradition von Judenverachtung«. Das American Jewish Committee betonte, sie sei »voller Hass«. Der National Jewish Democratic Council forderte alle TV-Sender auf, ihr keine Sendezeit mehr zu geben. Und die Los Angeles Times warnte: Die Gleise nach Auschwitz seien mit genau dieser Art von Ansichten geölt worden.
Coulter war aber nicht als Theologin im Fernsehen, sie wollte ihr neues Buch bewerben: If Democrats Had Any Brains, They‹d Be Republicans (»Wenn Demokraten Hirn hätten, wären sie Republikaner«). Ihr Werk erscheint in Coulters Hausverlag Crown Publishing. Der ist ein Imprint des New Yorker Großverlags Random House. Und Random House gehört zur Bertelsmann AG, der größten Verlagsgruppe der Welt, die in Gütersloh ansässig ist.
Coulter zählt sich selbst zu den evangelikalen Christen, einer schnell wachsenden Freikirche in Amerika. Viele Evangelikale sind bibeltreu, sie glauben, dass nach der Ankunft des Antichristen das Armageddon in Israel stattfinden werde: der Kampf zwischen Gott und dem Teufel. Nach der Vernichtung der Welt durch Erdbeben und Feuer würden alle Christen wiederauferstehen – die Juden aber in der Hölle landen. Bis es soweit sei, davon sind die Bibeltreuen überzeugt, müsse Israel geschützt werden. Deshalb wird Coulter wohl auch von konservativen jüdischen Intellektuellen wie David Horowitz in Schutz genommen. Horowitz meint, Coulter wolle Juden wenigstens nicht verbrennen. Ihre Bemerkung spiegele bloß die traditionelle Position der Kirche wider und sei daher kein Anlass zur Besorgnis.
Diese Einschätzung muss man nicht teilen. Denn Coulter hat das gleiche Talent wie der österreichische Populist Jörg Haider: Sie schrammt zwar immer haarscharf am offenen Antisemitismus vorbei, aber jeder weiß, wie es gemeint ist. So wie bei der Bemerkung über Timothy McVeigh. Coulter hatte dem New York Observer gesagt, der einzige Fehler, den der Oklahoma-Attentäter gemacht habe, sei, dass er nicht auch die New York Times bombardiert habe.
Nun ist die Times im Besitz einer jüdischen Familie, viele Redakteure sind Juden. McVeigh hingegen war ein bekennender Neonazi, er stand den »Aryan Nations« nahe, die Amerika von Schwarzen, Indianern und Juden »säubern« wollen. McVeighs Bibel war der krude Roman The Turner Diaries, in dem weiße Rassisten ein Blutbad anrichten. Nach dem Attentat von Oklahoma, bei dem 166 Menschen starben, wurde McVeigh in Terre Haute, Indiana, hingerichtet. Wenig später brannten Neonazis das Holocaust-Museum der Stadt nieder und sprühten »Remember Timmy McVeigh« an die Wand.
Auch von Mel Gibson hält Coulter einiges. Der Filmemacher, dessen Vater einer ultrakatholischen Sekte angehört, die den Holocaust leugnet, hat viel Kritik für seinen Jesusfilm bekommen. Nicht nur die Anti-Defamation-League, sondern auch jüdische Autoren wie der New-York-Times-Kolumnist William Safire warnten davor, dass der Film Antisemitismus fördern könne. Coulter spottete daraufhin: »Bislang haben sich die Pogrome nicht blicken lassen.« Die Times habe ohnehin keine Ahnung vom Christentum. Erst, als Gibson betrunken herumpöbelte, die Juden hätten alle Kriege angefangen, schwieg sie. Vielleicht ganz bewusst.
Nun sind praktisch alle Äußerungen, so schlimm sie auch klingen mögen, in den USA von der garantierten Meinungsfreiheit gedeckt. Selbst die Turner Diaries haben einen Verleger gefunden. Aber sollte ausgerechnet eine deutsche Verlagsgruppe eine Autorin wie Coulter herausgeben? In Deutschland lässt Bertelsmann ihre Bücher, obschon sie in den USA Bestseller sind, nicht verlegen. Claudia Limmer, die Sprecherin der Verlagsgruppe Random House in München, sagt auf Anfrage, die amerikanischen Verlage seien bei diesen Entscheidungen autonom. Gelegentlich spricht die Zentrale in Gütersloh aber doch ein Machtwort. Random House hatte in den USA früher Hitlers Machwerk Mein Kampf herausgegeben. Das wurde nach Beschwerden von jüdischen Organisationen untersagt, von ganz oben.