von Lisa Borgemeister
Ein Geburtstagsfest für die Bäume und Pflanzen? Nein, räumt Leon ein, davon habe er zuvor noch nie gehört. »Aber spannend ist es. Und irgendwie gefällt es mir auch. Die Natur ist schließlich ziemlich wichtig.« Der Grundschüler schiebt die Buntstifte beiseite und betrachtet kritisch sein Bild. Bäume sind da zu sehen und viele Tiere. Alle Kinder haben ein solches Blatt Papier vor sich liegen. Jedes individuell ausgemalt und gestaltet.
Einmal im Monat verwandelt sich der Vortragssaal im zweiten Stock des Jüdischen Museums Frankfurt in eine Kreativwerkstatt für Kinder. Dann wird gebastelt, gelesen, gesungen und gemalt. Fünf Mädchen und Jungen sind diesmal gekommen. Sie sitzen auf Bänken an einem langen Tisch und lauschen den Worten von Christine Keck, die mit ihrer Kollegin Astrid Lembke das Kinderprogramm leitet. »Tu Bischwat – Happy birthday, Natur!«, so das Motto des Nachmittags. Die beiden Leiterinnen erklären, warum es ein solches Neujahrsfest für Bäume gibt.
Raphael ist mit fast neun Jahren der Älteste in der Runde. »Bäume geben den Menschen Sauerstoff«, klärt er die anderen auf. »Außerdem wachsen daran wertvolle Früchte.« Die werden denn auch in kleinen Schüsseln herumgereicht, es gibt Granatäpfel, Datteln, getrocknete Aprikosen, Mango und Apfelsinen. Beim späteren Rundgang durch das Museum entdecken die jungen Forscher noch ganz andere Bäume: etwa den siebenarmigen Leuchter Menora.
»Uns ist es wichtig, die Kinder in ungezwungener Atmosphäre und möglichst spielerisch mit jüdischen Festen und Themen vertraut zu machen«, erklärt Christine Keck. »Da ist es auch nicht schlimm, wenn wir mal vom Thema abkommen und andere wichtige Dinge erklären.« Zum Beispiel, worauf die Menschen geschrieben haben, als es noch kein Papier gab. Oder, ob Bäume tatsächlich 1000 Jahre alt werden können und wie wohl die Stadt Frankfurt vor so langer Zeit ausgesehen hat. Die Fragen der Kinder nehmen kein Ende. Keck und ihre Kollegin antworten geduldig.
Eine Kooperation mit der jüdischen Gemeinde Frankfurt für das Kinderprogramm im Jüdischen Museum gibt es nicht. Aber auch keine Konkurrenz, wie Christine Keck betont: »Wir ergänzen das Angebot der Gemeinde und stehen in engem Kontakt.« Viele der Kinder, die ins Museum kommen, sind nicht jüdisch, aber interessieren sich für die Religion und ihre Geschichte. Andere wissen schon sehr viel, genießen es aber, sich im Museum noch einmal spielerisch mit den Themen auseinanderzusetzen. »Zu uns kommen immer etwa fünf bis zehn Kinder. An den Hohen Feiertagen sind es etwas mehr. Und jedes hat eine eigene Motivation und einen eigenen Kenntnisstand«, fasst Keck zusammen. Ihre Kollegin Astrid Lembke ergänzt: »Oft erklären die Kinder sich Dinge auch gegenseitig. Sie sind stolz, wenn sie etwas wissen, was sie anderen mitteilen können.«
Ob jüdisch oder nicht – schon durchs Alter sind die Vorkenntnisse sehr unterschiedlich. Während der achtjährige Ra- phael über die Wüstenlandschaften in Israel sprechen will, präsentiert die fünfjährige Paula stolz eine selbst gebastelte Obst-Girlande. Und während die Jüngsten eine Pause zum Toben und Fangenspielen einfordern, stecken die älteren Kinder konzentriert ihre Köpfe zusammen und versuchen, ihre Vornamen mit hebräischen Buchstaben zu notieren.
Raphael gehört zu den Kindern, die schon sehr gut Bescheid wissen über jüdische Feste und Rituale. Langweilig ist ihm bei dem Kindernachmittag im Jüdischen Museum deswegen nicht: »Hier muss man nicht so still sitzen wie in der Schule und erfährt trotzdem viel über Israel und das Judentum«, sagt er.
Höhepunkt des Nachmittags ist das Pflanzen eines eigenen Baums. Naja, zumindest einer Blumenzwiebel. Begeistert graben die Kinder in der Erde und verbuddeln ihre Narzissen in kleinen Töpfen. Dass TuBischwat in Israel ein richtiger Feiertag ist und eigentlich erst einen Tag später mit Baumpflanzaktionen gefeiert wird, haben sie bereits gelernt. »Aber morgen«, wirft ein Mädchen ein, »muss ich schließlich wieder in den Kindergarten. Deswegen pflanze ich meine Blume eben einen Tag früher. Ich glaube, das ist okay so.«
Das Kinderprogramm im Jüdischen Museum Frankfurt, Untermainkai 14-15, gibt es an jedem zweiten Sonntag im Monat, jeweils von 14 bis 16 Uhr. Teilnehmen können Kinder im Alter von sechs bis elf Jahren, eine Voranmeldung ist nicht nötig. Kinder zahlen zwei Euro Eintritt plus zwei Euro Unkostenbeitrag. Der nächste Termin am 8. März trägt die Überschrift »Purim – die schöne Heldin und der böse Minister«.
www.juedischesmuseum.de