von Lars Spannagel
Über Fußballspiele urteilen Fußballer, verdiente Schiedsrichter und gestandene Funktionäre. Das nennt man Verbandsautonomie und war schon immer so. Seit dem vergangenen Mittwoch ist diese Regel gebrochen: Erstmals in Deutschland hat mit dem Landgericht Berlin ein ordentliches Gericht in die Entscheidungshoheit eines Sportverbands eingegriffen. Richterin Katharina Kortmann verfügte den Aufstieg der zweiten Männermannschaft von TuS Makkabi in die Kreisliga A – unter der Voraussetzung, dass Makkabi ein Nachholspiel gewinnt.
Makkabi hatte sich an das Landgericht gewandt, da es sich von den Gerichten des Berliner Fußball-Verbands (BFV) bewusst benachteiligt fühlte. Das Urteil vom vergangenen Mittwoch ist das vorerst letzte in einer langen Reihe von umstrittenen, angefochtenen und revidierten Entscheidungen. Das Spiel, um das sich der Rechtsstreit dreht, ist beinahe ein Jahr her: Am 29. September 2006 wurden Fußballer der zweiten Mannschaft von Makkabi in einem Spiel beschimpft und bedroht. »Synagogen müssen brennen«, »Hier regiert die NPD« und Ähnliches skandierte eine Zuschauergruppe in Altglienicke. Nach 78 Minuten hielten es die Makkabi-Spieler nicht mehr aus und gingen vom Platz.
Die VSG Altglienicke und der Schiedsrichter erhielten Strafen und Auflagen vom Verband, das Spiel wurde neu angesetzt. Um diese Wiederholung geht es in dem aktuellen Urteil. In der Neuauflage der Kreisligapartie im März setzte Altglienicke sieben Spieler seiner ersten Mannschaft ein und gewann 4:1. Makkabi erhob Einspruch gegen die Wertung des Spiels und bekam vom Sportgericht des BFV Recht, die Begegnung wurde 6:0 für Makkabi gewertet. Gegen dieses Urteil ging wiederum Altglienicke in Berufung. Das Verbandsgericht erklärte die Fußballer für spielberechtigt, revidierte das Urteil und sprach Altglienicke die Punkte zu. Die Richter verstießen dabei allerdings gegen die eigene Verbandsordnung: Sie versäumten es, Makkabi über die Berufung zu informieren und in dem Verfahren anzuhören. Auch die neue Wertung des Spiels wurde Makkabi nicht fristgemäß mitgeteilt. Bis nach Saisonende wähnte der Verein sich im Besitz der drei Punkte und als Tabellendritter aufgestiegen. Erst nach dem letzten Spieltag erreichte Makkabi das Urteil und damit die Nachricht vom verpassten Aufstieg.
Makkabis Präsident Tuvia Schlesinger glaubt an böse Absicht: »Die haben sich bewusst so lange Zeit gelassen, dass wir keine Handlungsmöglichkeit mehr hatten.« BFV-Präsident Bernd Schultz hingegen spricht von einem bedauerlichen Verfahrensfehler und sagt, Makkabi »konstruiere sich da etwas«. Schlesinger schlug dem BFV vor, die Kreisliga A aufzustocken und Makkabi doch mitspielen zu lassen. Darauf ließ sich der Verband nicht ein und bot lediglich an, der Verein könne ein Gnadengesuch stellen. »Das war das Schärfste«, sagt Schlesinger, »nur Täter reichen Gnadengesuche ein, aber wir sind die Opfer.«
Da Makkabi nun alle sportrechtlichen Möglichkeiten ausgeschöpft hatte, erwirkte der Verein beim Landgericht die einstweilige Verfügung. Auch nach einem Widerspruch des BFV und einer mündlichen Verhandlung blieb Richterin Kortmann bei ihrer Entscheidung. Mit einer Einschränkung: Sie ordnete eine Wiederholung des letzten Saisonspiels zwischen Makkabi und dem Mariendorfer SV an. Gewinnt Makkabi, soll der Verein eigentlich aufsteigen. Es hängt aber vom BFV ab, ob und wann das Spiel neu angesetzt wird. Und legt der Verband die Abschlusstabelle der vergangenen Spielzeit zugrunde, müsste Makkabi mit zehn Toren Unterschied gewinnen.
Glücklich ist man bei Makkabi nicht über das Urteil. »Eigentlich ist es keine sportliche Lösung«, sagt Tuvia Schlesinger. Die beiden Mannschaften seien nicht mehr identisch mit denen, die ursprünglich auf dem Platz standen. Zudem müsse man im Prinzip die letzten drei Spieltage wiederholen: Makkabi hätte es im Nachhinein gerne Altglienicke gleichgetan und Spieler seiner ersten Mannschaft eingesetzt. Da man aber sicher war, regulär den Aufstieg zu schaffen, verzichtete man darauf. Noch ist unklar, ob sich der Verband auf ein Wiederholungsspiel einlässt. »Wir werden prüfen, ob wir in Berufung gehen«, sagt BFV-Präsident Schultz nach dem Urteil. Die Verbandsgremien sollen sich schnell entscheiden, »irgendwann muss ja mal wieder Fußball gespielt werden.« Die Kreisliga A hätte vor zwei Wochen beginnen sollen, zurzeit ruht der Spielbetrieb.