Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen) wird bei der Verleihung des Aachener Karlspreises an Rabbiner Pinchas Goldschmidt am 9. Mai eine der beiden Festreden halten. Das gab das Karlspreisdirektorium am Donnerstag bekannt.
Habeck habe, wie der Vorsitzende des Gremiums, Jürgen Linden, und die Aachener Oberbürgermeisterin Sibylle Keupen in einer Pressemitteilung betonten, bereits im November in einer »aufsehenerregenden Rede gegen den Antisemitismus an die Verantwortung der Gesellschaft erinnert und gemahnt, dass Jüd*innen in Europa frei und sicher leben können müssen.«
Zweiter Festredner wird Albaniens Ministerpräsident Edi Rama sein. Rama und Goldschmidt hätten sich bereits mehrmals persönlich getroffen. Darüber hinaus sei Goldschmidt zu einem koscheren Abendessen und einer Chanukka-Feier in die albanische Hauptstadt Tirana eingeladen worden.
Im Januar hatte das Direktorium bekanntgegeben, dass der diesjährige Karlspreis an den langjährigen Moskauer Oberrabbiner und Präsidenten der Europäischen Rabbinerkonferenz verliehen wird. Mit der Entscheidung wolle man ein Zeichen setzen, dass jüdisches Leben zu Europa gehöre und »ein wichtiger Teil der europäischen Geschichte und Gegenwart, jetzt und in Zukunft« sei.
Der 60-jährige Goldschmidt erhalte den Karlspreis 2024 »in Würdigung seines herausragenden Wirkens für den Frieden, die Selbstbestimmung der Völker und die europäischen Werte, für Toleranz, Pluralismus und Verständigung, und in Anerkennung seines bedeutenden Engagements für den interreligiösen und interkulturellen Dialog.«
Der in der Schweiz geborene Rabbiner bringe durch sein Wirken zum Ausdruck, dass Menschen unterschiedlicher religiöser und kultureller Herkunft in Europa ihren Platz hätten, dass aber gleichzeitig die europäischen Werte »nicht verhandelbar« seien und »das von Demokratie, Freiheit und Recht geprägte europäische Lebensmodell nicht zur Disposition« stehe.
Nach seiner Ausbildung zum Rabbiner ging Pinchas Goldschmidt 1989 in die damals noch existierende Sowjetunion. Als Moskauer Oberrabbiner war er maßgeblich an der Entwicklung der jüdischen Gemeinde beteiligt. Immer wieder geriet Goldschmidt auch in Konflikt mit der russischen Obrigkeit. 2005 verweigerte ihm die Regierung von Präsident Wladimir Putin nach einem Aufenthalt in Israel die Wiedereinreise. Erst auf Druck jüdischer Gemeinden und Organisationen konnte er drei Monate später nach Moskau zurückkehren.
Im Februar 2022, kurz nach dem Einmarsch russischer Truppen in die Ukraine, weigerte sich Goldschmidt, den Kriegskurs der Putin-Regierung zu unterstützen, und verließ Russland. Die Nachricht, das Justizministerium habe ihn als »ausländischen Agenten« eingestuft, kommentierte er mit den Worten, er sei »stolz darauf, auf der richtigen Seite der Geschichte zu stehen und sich in die Liste jener Menschen einzureihen, die sich diesem schrecklichen Krieg widersetzen, der Hunderttausenden das Leben gekostet hat«. Kurze Zeit später rief Goldschmidt Russlands Juden dazu auf, das Land zu verlassen. Rund 100.000 haben dies seit Anfang 2022 getan.
Bereits seit 2011 amtiert Goldschmidt als Präsident der Europäischen Rabbinerkonferenz (CER), die rund 800 orthodoxe Rabbiner in ganz Europa vertritt. Vor Kurzem verlegte die CER ihren Sitz von London nach München. mth