»Gut gemeinter Dilettantismus«
Wolfgang Benz über ein geplantes Holocaust-Museum in Leipzig
Herr Benz, eine private Stiftung will in Leipzig ein Holocaust-Museum errichten. Ist das eine gute Idee?
benz: Nein, das ist keine gute Idee. Die Initiative ist ein Reflex auf das Holocaust-Museum in Washington. Der Nachahmungstrieb war wohl die treibende Kraft, ein sol- ches Projekt ins Leben zu rufen. Zu befürchten ist gutgemeinter Dilettantismus.
Muß man nicht froh sein, daß sich Privatleute engagieren?
benz: Wir haben bereits ein Holocaust-Museum: das Denkmal für die ermordeten Juden Europas und der dazugehörende »Ort der Information« in Berlin. Dort wird die Geschichte der Schoa auf hervorragende Weise und auf dem aktuellen Stand der Wissenschaft dokumentiert. Und es wird vom Publikum sehr gut angenommen. Mehr brauchen wir nicht.
In Deutschland gibt es also genug Gedenk- und Erinnerungsorte?
benz: Das ist das zentrale Argument gegen das geplante Holocaust-Museum. Wir haben genug authentische Orte, an denen der Völkermord stattfand. Deshalb ist es in Deutschland nicht nötig, das Geschehen hinter Glasvitrinen verschwinden zu lassen. Die Schüler sollen sich an die real existierenden Orte begeben: Bergen-Belsen, Dachau, Buchenwald oder ins »Haus der Wannsee-Konferenz«. Ein Museum würde doch nur zu Lasten der bestehenden Gedenkstätten gehen.
Die Stadt Leipzig hat positiv auf den Vorschlag der Initiative reagiert ...
benz: Womöglich hat Leipzig eine Messehalle übrig, für die eine Nutzung gesucht wird. Da liegt es ja für einen Stadtkämmerer nahe zu sagen: Ihr könnt hier ruhig was machen.
Was wissen Sie über die Initiative?
benz: Sie geht seit Jahr und Tag landauf, landab mit ihrer Idee hausieren und wirbt mit viel Prominenz für ihr Vorhaben. Das sind alles gute Menschen, Sachverstand ist da aber offenbar weniger gefragt. Mit dem Vorstandsvorsitzenden Hans-Jürgen Häßler habe ich mich vor einiger Zeit gründlich unterhalten.
Und?
benz: Ich habe kein vernünftiges Konzept hinter diesen Anstrengungen erblicken können.
Mit dem Leiter des Zentrums für Antisemitismusforschung an der Technischen Universität Berlin sprach Christian Böhme.