Linz

Grüße von der Führerpfalz

von Peter Bollag

Adolf Hitler hatte Großes vor mit Linz: Wie Berlin, Hamburg, Nürnberg und München sollte es eine »Führerstadt« werden, ein ideologisches »Kraftzentrum« der NS-Bewegung. Dort, wo er seine Jugend verbracht hatte, wollte der braune Diktator später auch seinen Alterssitz errichten: Linz sollte zur »Führerpfalz« mutieren. Geplant war dafür unter anderem ein gigantisches Kunstmuseum, bestückt vor allem mit Gemälden des 17. und 18. Jahrhunderts, einer Epoche, der die besondere Vorliebe des verhinderten Kunstmalers Hitler galt. Unter Federführung des Dresdener Kunsthistorikers Hans Posse wurde in der Hauptstadt des Reichsgaus Ober-donau Raubkunst aus halb Europa zusammengetragen, hauptsächlich aus jüdischem Besitz.
Diese und weitere Fakten dokumentiert die Ausstellung Kulturhauptstadt des Führers, die bis Ende März 2009 im Linzer Schloss zu sehen ist. Anlass ist eine besondere Ehrung der mit 190.000 Einwohnern drittgrößten Kommune Österreichs: Zusammen mit dem litauischen Vilnius ist Linz Europas Kulturhauptstadt 2009. Die dunklen Seiten ihrer Geschichte wollte oder konnte die Stadt angesichts der erwarteten internationalen Aufmerksamkeit nicht einfach ausblenden. Dem Intendanten der Kulturhauptstadt, dem Schweizer Martin Heller, ist die Vergangenheitsaufarbeitung ein besonderes Anliegen: So soll es auch eine Veranstaltungsreihe »Linz Gedächtnis« geben.
Immerhin, erfährt man in der Ausstellung, kam Hitler erst angesichts des Jubels, der ihn bei seiner triumphalen Anschluss-Fahrt am 12. März 1938 in der oberösterreichischen Landeshauptstadt umbrandete, überhaupt auf die Idee, einige Tage später auf dem Wiener Heldenplatz »vor der Geschichte den Eintritt meiner Heimat Österreich in das Deutsche Reich« zu vermelden. Der Dichter Erich Fried hörte damals im Radio daheim in Wien zusammen mit seinem Vater die Reportage aus Linz und ahnte, was sich da für die österreichischen Juden zusammenbraute: Sein Vater wurde nur einige Tage später von der Gestapo ermordet. Auch das vergegenwärtigt die Ausstellung mit einem eindrücklichen Tondokument.
Quasi als Belohnung für den herzlichen Empfang Hitlers wurden in der »Patenstadt des Führers« die Linzer Hermann-Göring-Werke angesiedelt, die für den Krieg Rüstungsgüter produzierten. Billige Arbeitskräfte dafür gab es in den regionalen Konzentrationslagern Mauthausen, Gusen und Ebensee. »Spuren des Nationalsozialismus sind nicht nur im Umland, sondern auch in der Stadt selbst spürbar und bis zur Gegenwart hin vorhanden, auch in den Materialien unscheinbarer Bauten, (...) bezahlt mit dem Leben der KZ-Häftlinge«, heißt es dazu in der Ausstellung.
Zu sehen ist in einer Video-Installation der Schau auch die in Linz und Boston lebende Autorin Anna Mitgutsch. Sie steht vor der Linzer Synagoge. Das auch im Stadtplan als Sehenswürdigkeit eingetragene Gotteshaus wurde 1965 erbaut. Rund 60 Mitglieder umfasst die jüdische Gemeinde der Stadt heute. 1938 waren es noch rund 800 gewesen. Viele von ihnen wurden ermordet. Andere gingen ins Exil, wie der weltberühmte Startenor Richard Tauber, auch er ein Sohn der Stadt Linz.
Ausgespart wird in der Schau leider, wie nationalsozialistisch gesinnt die Linzer Bevölkerung selbst war und wie eng die örtlichen Eliten in die NS-Politik einschließlich der Kulturpolitik verstrickt waren. Auch nicht wirklich angesprochen wird die interessante Frage, inwieweit die oberösterreichische Stadt ein Biotop des Nationalsozialismus war. Immerhin hatte nicht nur Hitler selbst neun Jahre seines Lebens in Linz verbracht; nicht wenige der übelsten Nazis – die bekanntesten waren Adolf Eichmann und Ernst Kaltenbrunner – stammten aus der »Heimat des Führers« oder hatten hier zumindest einige Zeit verbracht.
Die Bemühungen der Stadt, mit ihrer unschönen Vergangenheit irgendwie ins Reine zu kommen, haben mittlerweile die Satiriker auf den Plan gerufen. »Aber das war ja meine Idee, die hier realisiert wird«, ruft Hitler, verkleidet als Rübezahl mit roter Zipfelmütze in Kurt Palms Stück Der Zwerg ruft, zu sehen im Linzer Phönix-Theater: »Die Führerstadt Linz wird Europäische Kulturhauptstadt 2009!«
Dabei erinnert heute an das Dritte Reich im Stadtbild nur noch die damals erbaute Nibelungenbrücke, welche die Innenstadt mit dem Ortsteil Urfahr verbindet. Ansonsten ist Linz äußerlich entnazifiziert. Eine Demo von Neonazis, die am 1. Mai 2009 in der Stadt gegen »Globalisierung und Kapital« aufmarschieren wollen, wird wohl nicht zugelassen werden. Nicht wehren kann sich Linz allerdings gegen Menschen wie Maria Schmidt. Die war am 26. November 2008 auch in der Schau im Schloss und schrieb ins Gästebuch: »Eine Ausstellung, die eines der größten Deutschen würdig ist. Danke an seine Stadt Linz.«

www.schlossmuseum.at

Düsseldorf

Igor Levit: Bin noch nicht fertig mit diesem Land

Am Klavier ist er ein Ausnahmekönner, in politischen Debatten meldet er sich immer wieder zu Wort. 2020 erhielt der jüdische Künstler das Bundesverdienstkreuz - das er nun nach eigenen Worten fast zurückgegeben hätte

 03.02.2025

Berlin

Kreise: Union will Gesetz doch zur Abstimmung stellen

Hinter verschlossenen Türen wurde in den Unionsparteien viel über das »Zustrombegrenzungsgesetz« gesprochen. Nun gibt es laut Teilnehmern eine Entscheidung

 31.01.2025

Kommentar

Der stumme Schrei der Arbel Yehoud

Die Israelin wurde am Donnerstag von den Hamas-Terroristen endlich freigelassen. Die junge Frau muss unvorstellbare Qualen ausgestanden haben

von Nicole Dreyfus  31.01.2025

Kultur

Termine und TV-Tipps

Termine und Tipps für den Zeitraum vom 30. Januar bis zum 5. Februar

 30.01.2025

Österreich

»Gegen Antisemitismus und Antizionismus aufstehen«

Der Bundeskanzler, dessen ÖVP Koalitionsgespräche mit der rechtsextremen FPÖ führt, sagt, weder Hass noch Ausgrenzung dürfe Platz geboten werden

 27.01.2025

Irland

Eklat mit Ansage beim Holocaust-Gedenken

Nach seinem Exkurs zum Gaza-Krieg bei der Gedenkfeier in Dublin hagelt es scharfe Kritik am irischen Staatspräsidenten

von Michael Thaidigsmann  27.01.2025

Berlin

Scholz zu Auschwitz-Gedenken: Müssen Erinnerung hochhalten

Am 80. Jahrestag der Befreiung des ehemaligen deutschen Vernichtungslagers wird der Opfer des NS-Terrors gedacht. Viele Zeitzeugen sind mittlerweile gestorben

 27.01.2025

Gedenken

Mehr Menschen sollen sich Auschwitz anschauen

Wer einmal dort war, stelle sich die Frage, warum die Erinnerung wachgehalten werden muss, nicht, so Zentralratspräsident Schuster

 26.01.2025

Geisel-Abkommen

Scholz: Es müssen weitere Geiseln freikommen

Noch immer sind auch deutsche Staatsbürger in der Gewalt der Hamas

 25.01.2025