William Wolff sieht den Einzug von sechs NPD-Abgeordneten in den Landtag gelassen. Das müsse eine Demokratie aushalten, sagte der Landesrabbiner von Mecklenburg-Vorpommern, nach Bekanntwerden des Ergebnisses. Weit über 90 Prozent hätten demokratisch gewählt, das freue ihn.
»Ich vertraue ihm sehr, aber so gelassen wie der Landesrabbiner bin ich nicht«, sagt Juriy Rozov, Gemeindevorsitzender der Jüdischen Gemeinde Rostock. Ihm bereite der Einzug der NPD in den Schweriner Landtag große Sorge, »nicht Angst«, betont der Familienvater. Für ihn sei die Erklärung, die hohe Arbeitslosigkeit veranlasse viele, rechts zu wählen, zu einfach. »Das Problem liegt tiefer, da ist eine grundsätzliche Denkweise verankert und das in einem Land, das es besser wissen müßte«, sagt Rozov. Aber damit habe man rechnen müssen.
Er selber hat gewählt, und auch in der Gemeinde habe man den Wahlberechtigten deutlich gemacht, wie wichtig es ist, daß sie zur Wahl gingen. »Wir haben wirklich viele Freunde in Rostock, die uns sehr unterstützen. Deswegen kann ich nicht sagen, daß hier überall Antisemitismus herrscht. Aber während der Libanon-Auseinandersetzungen hat man unser Gemeindehaus mit roter Farbe beschmiert«, erzählt der Vorsitzende. Er gebe daher der Präsidentin des Zentralrats der Juden in Deutschland, Charlotte Knobloch, recht, wenn sie sage, daß viele Rechtsradikale nur einen Anlaß suchten, um wieder einmal ihre Meinung kund zu tun.
Auch Ljudmila Yatlo ist erschrocken über den Einzug der NPD in den Landtag. »Ich finde das ganz schlimm«, sagt die Mutter einer neunjährigen Tochter. »Die Leute haben offensichtlich nichts aus der Vergangenheit gelernt.« In Rostock-Toitenwinkel betreibt sie ein Geschäft mit russischen Spezialitäten. Offenen Antisemitismus habe sie zwar noch nicht erlebt, ihre Tochter habe sich jedoch schon Beschimpfungen von Kindern in der Schule anhören müssen wie: »Die Russen sind doof, die Ausländer sind blöd«.
Der Anteil der Rechtsextremisten bereite ihr Unbehabgen. Sie habe sich sogar schon einmal überlegt, in ein anderes Bundesland zu ziehen, obwohl sie sich in Rostock durchaus wohlfühlt und betont: »Ich habe hier meinen Platz gefunden.« Auch sie hat von ihrem Wahlrecht Gebrauch gemacht. Zu den 40 Prozent der Nichtwähler bemerkt Ljudmila Yatlo: »Die nehmen das einfach nicht ernst.«
Lena Boradjanski ist nach einem Aupair-Aufenthalt gerade aus Amerika zurückgekommen und direkt zur Wahl gegangen. »Wir haben alle mitgenommen und alle motiviert, die wir erreichen konnten, um dagegenzuhalten. Die Prognosen ließen ja schlimmstes befürchten.« Es sei erschreckend, das viele die Parallele zu 1933 mit hoher Arbeitslosigkeit nicht erkennen und dann rechtsgerichtete Parteien wählten. »Vor zwei, drei Jahren hätten sie gerade mal 3 Prozent bekommen, jetzt kommen sie locker über 7 Prozent. Ich hoffe nur, daß die Politiker, die jetzt an der Macht sind, endlich etwas tun für die Menschen. Auch für sich selbst sieht sie keine Zukunft in Schwerin. Zum Studium geht sie im Oktober nach Essen, wo ihre Schwester wohnt. Heide Sobotka
Wahlergebnis