von Sabine Brandes
Mohammad reicht die Kichererbsenpaste herum, seine Frau bietet ein paar Fladenbrote an. Die Kinder quietschen vor Freude unter dem Wasserfall, der nebenan plätschert. Nur zwei Meter weiter steht Schlomi am Mangal, der israelischen Variante des Grills, und wedelt mit dem Plastikfächer, dass die Hähnchenbeine nur so brutzeln. Ruthie nimmt ein Pita und lächelt ihren neuen Bekannten dankend zu. Gemeinsame Sprache: ein bisschen Englisch, ein bisschen Arabisch, viel Hand und Fuß. Mohammad ist mit seiner Frau und den drei Söhnen aus Damaskus angereist, Schlomi und seine Familie kommen aus Jerusalem. Hier, auf den Golanhöhen, treffen sie sich zur binationalen Grillparty.
Ein Szenario aus einem hübschen, doch wenig realen Traum von Frieden zwischen Israelis und Syrern? Realität innerhalb der nächsten fünf bis fünfzehn Jahre, wenn man einem Artikel Glauben schenkt, der vergangene Woche in der Tageszeitung Haaretz erschienen ist. Demzufolge sind zwei Jahre lang geheime Gespräche zwischen Israel und Syrien geführt worden, an deren Ende ein Friedensentwurf stand. Mit dem israelischen Teil der Golanhöhen als Naturpark. Israel müsste sich entsprechend des Papiers gänzlich aus dem Golan hinter die Grenzen vom Juni 1967 zurückziehen, der Park würde vom nördlichen Zipfel des jetzigen Gebietes bis zum See Genezareth reichen, Bewohner beider Ländern hätten tagsüber freien Zugang ohne Visa und Einschränkungen.
Im Hier und Heute steht David Ifargan in seinem neu eröffneten Kiosk im Zentrum von Katzrin und ordnet Zigarettenpäckchen in die Regale. Katzrin ist die »Hauptstadt« des Golan mit 7.000 Einwohnern. Was er von einem binationalen Park im Golan halten würde? »Schwer vorzustellen«, meint Ifargan und runzelt die Stirn. Nach einer Weile fügt er hinzu, dass er das Gebiet zurückgeben würde, wenn am Ende echter Frieden steht. »Der Tag, an dem wir hier unsere Sachen packen müssen, kommt ohnehin. Und wenn es dafür Verständigung gibt, ist das gut.« Seine Freundin Dina Katz sieht es ähnlich: »Um des Friedens willen und für meine Kinder würde ich den Golan morgen abgeben.« Ifargan will nicht, dass er falsch verstanden wird. Er liebe diese Gegend, doch eine Ideologie sei der Landstrich für ihn nicht. Ob er mit den Syrern grillen würde? »Klar würde ich«, sagt er und lacht, »die Frage ist nur, ob sie es genauso gut können, wie wir.«
Nebenan arbeitet Alexandra Pomeranz beim Optiker. Vor vier Jahren ist sie mit ihrer gesamten Großfamilie – elf Personen insgesamt – aus Argentinien eingewandert. Direkt auf den Golan. »Weil es hier so wundervoll ruhig ist.« Für Kinder sei es ein Paradies, sicher und behütet. Pomeranz’ Familie fühlt sich längst wie zu Hause und denkt nicht daran, wieder wegzugehen. »Nein«, macht sie deutlich, »Israel darf dieses Land nicht abgeben.« An Frieden glaubt sie nicht, zu tief sitzt noch der Schock aus dem vergangenen Sommer, als in der Nähe ihres Hauses Raketen aus dem Libanon einschlugen. Und gäbe es in der Zukunft tatsächlich einen Freizeitpark, Pomeranz würde ihre Ferien dort sicher nicht verbringen. »Ich habe kein Interesse, Syrer kennen zu lernen. Das ist zwar traurig, aber ich traue ihnen nicht über den Weg.«
Weiter in Richtung Norden hat die Natur viel zu bieten: Besuchern zeigt sich das mehr als 1.000 Meter hohe und 67 Kilometer lange Basaltplateau zu jeder Jahreszeit in einem anderen Gewand: sanft gerundete Hügel, im Winter saftig grün, im Frühling von einem Teppich aus roten, gelben und blauen Blüten überzogen.
17.000 Drusen, ursprünglich aus Syrien, leben hier in vier Dörfern, hinzu kommen 32 Kibbuzim und Moschawim sowie die Stadt Katzrin. Insgesamt zählt die jüdische Bevölkerung etwa 14.000. Einer von ihnen ist David Korem. Der 30-Jährige ist Friseur im Kibbuz Ein Siwan. Das Konzept eines Golan-Parks findet er interessant, vor allem weil dann Flora und Fauna besser geschützt werden könnten. Würde er sich mit syrischen Grillfans treffen? »Sicher«, meint Korem, »denn sie sind ja genauso Menschen wie wir.« Tatsächlich aber hält er die Idee für wenig realistisch. »Die Mentalität von Juden und Arabern ist so verschieden, dass das sicher nicht funktionieren würde.«
Für »total absurd« hält Korems Bekannter Snir Dan das Parkprojekt. »Jeder soll in seiner Ecke leben – und wir bleiben auf dem Golan.«
Motti Bar stammt ursprünglich aus Beer Schewa. Vor 13 Jahren aber hat er sich im Moschaw Kanaf eingerichtet, und jetzt will er nie wieder weg. Frieden möchte er schon, Grillen auch, doch sich die Golanhöhen als reines Erholungsgebiet vorzustellen, behagt ihm nicht. »Es gibt sicher eine andere Annäherung, als einzig über ein Stück Land.« Zeit, so Bar, sei ein wichtiger Faktor in der Normalisierung der Beziehung. »Und natürlich wünsche ich mir, dass ich eines Tages so nach Syrien reisen kann, wie die Deutschen etwa nach Frankreich. Und wenn dann alle gemeinsam am Mangal stehen, wäre das doch wunderbar.«