»Einwanderungsverbote sind moralisch falsch, ökonomisch dumm und politisch unhaltbar.« Von dieser These versucht Phi-lippe Legrain seine Zuhörerschaft im Potsdamer Haus der Friedrich-Naumann-Stiftung zu überzeugen, wo er jüngst sein Buch Immigrants – Your Country Needs Them vorgestellt hat.
Legrain schrieb für den »Economist« und arbeitete für die Welthandelsorganisation. Schon sein erstes Buch Open Borders war ein flammendes Plädoyer für Freihandel und Globalisierung. Und im neuen Werk heißt es: »Wer die Freiheit der globalen Güter- und Kapitalmärkte verteidigt, sollte auch für offene Grenzen eintreten – und zwar aus ganz ähnlichen Gründen.« Freie Migration sei kein Nullsummenspiel, sondern ein Gewinn für alle Beteiligten.
»Es herrscht Krieg«, sagt Legrain. »Hunderte Menschen sterben jedes Jahr an unseren Grenzen. Männer, Frauen und Kinder, die nichts verbrochen haben. Sie suchen ein menschenwürdiges Leben und finden den Tod. Das ist zwar keine beabsichtigte, aber eine unvermeidliche Folge unserer Politik.« Die Unterscheidung zwischen politischen und Wirtschaftsflüchtlingen sei unsinnig: »Warum sollen wir nur Menschen hereinlassen, die von Folter bedroht sind, nicht aber die, die vor bitterer Armut fliehen?« Da verweist Legrain auf die Wirtschaftswissenschaft: »Dutzende von seriösen Studien zeigen, dass Einwanderung von großem wirtschaftlichem Nutzen für die einheimische Bevölkerung ist. Einwanderer nehmen uns nicht die Jobs weg, sie schaffen neue.« Tatsächlich hat Legrain eine imponierende Menge Beweismaterial zusammengetragen. Er glaubt auch nicht, dass große Einwandererwellen ein Problem darstellen müssen.
Beispiel: Israel. Legrain zitiert die Ökonomen Sarit Cohen und Chang-Tai Hsieh, die die Folgen der Masseneinwanderung aus der ehemaligen Sowjetunion in den 90er-Jahren untersucht haben. Allein in den Jahren 1990/91 ließen 330.000 russische Immigranten den arbeitsfähigen Bevölkerungsanteil Israels um stolze acht Prozent anwachsen; bis 1997 kamen weitere 380.000 hinzu. Die Wissenschaftler glauben zwar, einen kurzzeitigen Rückgang der Löhne um etwa fünf Prozent, aber auch einen deutlichen Rückgang der Gesamtarbeitslosenquote im Land auf diesen gewaltigen Einwandererstrom zurückführen zu können.
Die meisten Israelis bangten jedoch nicht um ihren Arbeitsplatz, sondern um ihre Sicherheit. »Aber Einwanderungsverbote sind kein geeignetes Mittel gegen Extremismus. Die meisten großen Anschläge wurden nicht von Immigranten verübt.« Legrain hat viele überzeugt und den Rest ins Grübeln gebracht. Michael Holmes
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