von Ulf Meyer
»Das ist ein guter Tag für Bochum«, sagt Grigory Rabinovich und muss viele Hände schütteln am Vormittag des 14. November 2005. Es ist der Tag der Grundsteinlegung für die Bochumer Synagoge. Zwei Jahre und einen Monat später ist es wieder ein guter Tag für Bochum. Denn an diesemkalten klaren 16. Dezember wird der neue Bau eröffnet. Grigory Rabinovichs Traum und der seiner Gemeinde ist in Erfüllung gegangen. 69 Jahre nach der Zerstörung hat die Ruhrgebietsstadt ein neues jüdisches Gotteshaus.
Die alte Bochumer Synagoge von 1863 war nach ihrer Zerstörung in der Pogromnacht 1938 nicht mehr aufgebaut worden. 1945 kehrten lediglich fünf am Leben gebliebene Juden nach Bochum zurück. Damals hat kaum jemand daran gedacht, dass die jüdische Gemeinde mit 1.200 Mitgliedern einmal wieder fast genauso groß sein würde wie vor der Schoa. Heute ist sie sogar die zweitgrößte Gemeinde in Westfalen.
Doch bis vor Kurzem war sie ohne eigenes Gotteshaus. Dass sie am vergangenen Sonntag ein neues Gebäude einweihen konnte, verdankt sie auch der Spende der Stadt Bochum, die 2003 der jüdischen Gemeinde ein großes Grundstück für den Bau von Synagoge und Gemeindezentrum zur Verfügung stellte.
Mit seiner »maßvollen Repräsentanz, hohen Funktionalität und guten städtebaulichen Integration« hatte der Kölner Architekt Peter Schmitz Anfang Februar 2005 die Jury des Architekturwettbewerbs mit seinem Entwurf überzeugt. Den städtebaulichen Kontext der neuen Synagoge entlang der zentrumsnahen Castroper Straße bilden vor allem das benachbarte Zeiss-Planetarium und der nahe Stadtpark.
Tatsächlich würde die neue Synagoge ohne diese Nachbarn heute ganz anders aussehen: Denn um einen »Kontrast zum Planetarium zu schaffen«, hat Schmitz für seinen dreigliedrigen Bau ein scharfkantiges Plateau bauen lassen, von dem sich der steinerne Kubus der Synagoge monumental und eindrucksvoll erhebt. Die Fläche wird durch Mauern aus gestocktem Sichtbeton eingefasst. Um nicht mit der metallisch schimmernden, weltlichen Kuppel des Planetariums nebenan in Konkurrenz zu treten, ist die quadratisch abgetreppte gold-gelbe Kuppel der Synagoge mit einem Durchmesser von 15 Metern nur im Inneren wahrnehmbar. Die Kuppel besteht aus glasfaserverstärktem Gips.
Vom Eingang aus gelangen Besucher geradewegs in das zentrale, eingeschossige Foyer zwischen Gemeindesaal und Synagoge. Während neben dem Eingang ein Café mit Terrasse unter einer alten Linde die Öffentlichkeit ansprechen soll, liegt in der Etage darüber mit Gemeinde- und Verwaltungsräumen eine privatere, sichtgeschützte Terrasse. Die Fassaden wurden mit einem Naturstein aus Israel verkleidet.
Die Form der Synagoge mit 250 Plätzen weckt Assoziationen an den Tempel von Jerusalem und an ein Wüstenzelt. Den gesamten 17 mal 17 Meter großen Synagogenraum prägt eine Ornamentik, die auf dem Motiv des Davidsterns aufbaut. Solche Mauerreliefs mit abwechselnden Vor- und Rücksprüngen kennt man aus der Industriearchitektur des Ruhrgebietes. Die Ornamente auf der Fassade lassen dreieckige Fenster entstehen, die im Innenraum einen umlaufenden Fries bilden. Die Kuppel ist seitlich von den Wänden durch eine Lichtfuge abgesetzt. Im Grundriss ist der Synagogenraum klassisch: Der Toraschrein befindet sich an der Ostwand und die Bima im Zentrum des Raumes. Männer sitzen seitlich der Bima und Frauen auf der Empore.
Das Ensemble besteht aus drei klar voneinander getrennten, kubischen Baukörpern, die durch einen gedeckten Außenraum miteinander verbunden sind. Schmitz, der bisher im Sakralbau unerfahren war und dessen bekanntestes Werk die Zentrale der Firma »T-Mobile« in seiner Geburtsstadt Bonn ist, sieht sich in der Tradition der katholischen Kirchenbaukunst von Gottfried Böhm, bei dem er einst in Aachen studierte: »Meine liebsten Architekturen sind die, die mit geringen Mitteln große Stärke erreichen«, sagt Schmitz. Sein etwa sieben Millionen Euro teures Bochumer Werk hat diese Kraft und unterstreicht sie eindrucksvoll.
Für Michael Rosenkranz, Mitglied der Jüdischen Gemeinde Bochum-Herne-Hattingen, beschreibt der eindrucksvolle Neubau etwas Endgültiges, etwas von Angekommensein. »Waren wir bisher mit dem Hüten des Inhalts unserer Koffer beschäftigt, können wir diese nun endlich auspacken und uns in unserem schönen, neuen Zuhause einrichten.«