Es gibt Menschen, die wirken anmaßend, wenn sie vorgeben, Gottes Willen zu kennen. Yasmin Levy aus Jerusalem gehört nicht zu ihnen. »Ich wurde geboren, um zu singen. Und ich weiß: Gott hat für mich geplant, dass ich Ladino singe«, sagt die 33-Jährige. Seit Jahren tourt die Sängerin mit ihrem Repertoire aus Liedern in Ladino, der romanischen Sprache der sefardischen Juden, durch Europa. Am 30. September tritt sie in Köln auf, am 4. Oktober in Frankfurt am Main. In der Sparte Weltmusik ist Yasmin Levy ein Star. Auf der Bühne, zuletzt bei den Jüdischen Kulturtagen in Berlin, erscheint sie im Glitzerkleid, als personifizierte orientalische Schönheit.
»Von meinen Eltern habe ich mein ganzes Leben lang Ladino-Lieder gehört. Und als ich selbst anfing zu singen, war Ladino-Sängerin nun wirklich das Letzte, was ich werden wollte«, sagt Levy und lacht. Ihre Eltern stammen aus der Türkei. Vater Yitzchak Levy, ein bekannter Sänger und Ladino-Forscher, starb, als seine Tochter ein Jahr und sieben Monate zählte. Yasmins Mutter Kochava war 27 Jahre jünger als ihr Mann. »Als meine Eltern sich kennenlernten, war meine Mutter eine Sängerin am Anfang ihrer Karriere«, erzählt Yasmin. »Vor der Hochzeit sagte mein Vater zu ihr: Entscheide dich, ob du Sängerin werden willst – oder meine Frau. Sie hat sich entschieden, seine Frau zu werden. Meine Mutter ist erst wieder aufgetreten, nachdem mein Vater gestorben war.« Auch Yasmins Mann ist Musiker. Anders als ihr Vater hat er aber kein Problem, seine Frau auftreten zu sehen, im Gegenteil: Er spielt Schlagzeug in ihrer Band.
Vor einigen Tagen ist Yasmin Levys viertes Album »Sentir« erschienen. Im Gegensatz zum Vorgänger-Album »Mano Suave«, das sich fast nur mit Ladino beschäftigte, bezeichnet Levy ihre neue CD als »weniger orientalisch, zugänglicher«, nicht nur für Weltmusikfans. Ihre alte Liebe für den Flamenco kombiniert sie mit kubanischen Einflüssen und viel Klavierbegleitung. Mithilfe einer Aufnahme, die über 40 Jahre alt ist, singt die Tochter sogar ein Duett mit ihrem verstorbenen Vater.
Yasmin Levy lebt in Bakaa, einem ehemaligen arabischen Viertel in West-Jerusalem. »Ich bin nicht angetreten, die Welt zu ändern, ich bin nur Yasmin, eine Sängerin aus Jerusalem. Aber ich lade jeden Palästinenser ein, mit mir zu singen und zu musizieren. Ich hoffe, dass es in Ordnung ist, wenn ich das sage, aber die Moslems haben die besten und größten Musiker hervorgebracht. Ich schätze ihre Kultur sehr.« Yasmin Levy weiß aber auch, wie schwierig sich die Zusammenarbeit mit arabischen Künstlern gestalten kann: »Die meisten Palästinenser wollen nicht mit uns zusammenarbeiten. Und Natacha Atlas, mit der ich das Duett von Mano Suave singe, war zuvor nie mit einer Israelin oder Jüdin aufgetreten. Sie hatte Angst, dass das ihre Karriere beschädigt.«
Dass orthodoxe Juden den Gesang einer Frau in der Öffentlichkeit für anstößig halten, ficht die praktizierende Jüdin übrigens nicht an. Levy hat für sich einen Weg gefunden, alles unter einen Hut zu bringen: »Die Ruhe und den Frieden am Schabbat, den Gesang, koscheres Essen und Auftritte in der ganzen Welt.« Ayala Goldmann
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