Nachnamen

Goldbacher oder Goldner

von Pat Christ

Wolf Samson stammte aus Goldbach. Im Jahr 1797 zog er in die nahe gelegene Stadt Aschaffenburg, die damals zum Großherzogtum Frankfurt gehörte. Seit 1811 verlangte das Großherzogtum von den Juden, sich einen festen Nachnamen auszusuchen. Wolf Samson wählte mit Hinweis auf seinen Geburtsort den Namen »Goldbacher«. Gerade einmal sechs Jahre durfte er ihn tragen. Denn als das Frankfurter Großherzogtum nach der Völkerschlacht bei Leipzig 1813 zerfiel, wurde die Stadt Aschaffenburg Bayern zugeschlagen. Dort galten andere Regeln.
Im Juni 1813 wurde im Königreich das bayerische Judenedikt angenommen. Womit sich ein komplettes System änderte. Bis dahin durften sich Juden an einem Ort niederlassen, sowie sie sich einen Schutzbrief gekauft hatten. Wolf Samson besaß einen solchen Brief aus dem Jahr 1802. Nach Erlass des Judenedikts reichte dieses Papier jedoch nicht mehr aus. Juden, die das bayerische Staatsbürgerrecht erwerben wollten, mussten sich zusätzlich in eine Matrikelliste eintragen. Dabei wurden sie wiederum gefragt, welchen Nachnamen sie künftig tragen wollten.
Der von seinem Privatvermögen lebende Wolf Goldbacher gehörte, wie viele Juden aus Aschaffenburg, zu jenen im Königreich, die bereits einen Nachnamen hatten. Allerdings: In vielen Fällen wurde der von Landesdirektionsrat Ernst von Halbritter, der sämtliche Listen aus Unterfranken überprüfte, nicht akzeptiert. Zum Beispiel, weil es sich um den Namen einer bekannten oder gar adeligen Familie handelte. Auch hebräische oder jüdisch-deutsche Vornamen wie Bär, Hirsch oder Wolf wurden zu Tabunamen erklärt. Oder wie im Fall Wolf Goldbacher, weil es sich um einen regionalen Ortsnamen handelte. Aufgefordert, sich einen neuen Namen auszusuchen, wählte der 83-Jährige im Jahr 1817 den Namen »Goldner«.
Wie ihm erging es auch Wolf Mayer, der sich vor 1817 den Namen »Wolfskehl« gegeben hatte. Der 86-Jährige, der laut Matrikeleintrag von seinen Söhnen unterhalten wurde, musste den Namen in »Wolfsthal« ändern.
Dass die unterfränkischen Judenmatrikel heute als wichtige Quellen für Familienforscher, Wissenschaftler und interessierte Laien erschlossen sind, ist dem pensionierten Ur- und Frühgeschichtler Dirk Rosenstock zu verdanken. Seit zwei Jahrzehnten beschäftigt er sich mit jüdischen Matrikellisten. In den vergangenen drei Jahren arbeitete er 49 solcher Datensätze von ehemaligen unterfränkischen Gerichten auf.
Rosenstock will mit seiner soeben in Würzburg erschienenen Monografie unter anderem deutlich machen, dass Familiennamen, die bis heute als »typisch jüdisch« gelten, ganz andere Ursprünge haben. So stammten viele angeblich »jüdische Nachnamen« unter anderem aus belletristischen Werken, die zu Beginn des 19. Jahrhunderts als vornehm angesehen und gern gelesen wurden.
Um einen »literarischen Namen« handelt es sich zum Beispiel bei »Sternberg« – eine Figur dieses Namens kommt in dem 1793 erschienenen Roman »Die Hagestolzen« von August Wilhelm Iffland vor. Diesen Namen wählte sich der Vieh- und Wagenhändler Simon Sandel aus Kirchheim, als er sich in die Matrikelliste des Landgerichts Würzburg eintragen ließ.

band 13 würzburger stadtarchiv: dirk rodenstock: die unterfränkischen judenmatrikel 1817
352 Seiten, Würzburg Verlag Ferdinand Schöningh (ISBN 978-3-87717-797-6)

Kultur

Termine und TV-Tipps

Termine und Tipps für den Zeitraum vom 19. Dezember bis zum 2. Januar

 23.12.2024

Debatte

Schweden stoppt Unterstützung von UNRWA

Hintergrund des Schrittes ist die Entscheidung Israels, der UNRWA wegen ihrer Verwirklichung in den palästinensischen Terror jegliche Tätigkeit auf israelischem Territorium zu untersagen

 20.12.2024

Kunst

Leitung der documenta 16 wird heute bekanntgegeben 

Wer wird die nächste documenta kuratieren? Die Findungskommission der für 2027 geplanten Schau will ihre Entscheidung jetzt bekanntgeben

von Nicole Schippers  17.12.2024

Nach Assad-Sturz

Libanesischer Politiker ruft Landsleute zur Rückkehr auf

Im von zahlreichen Krisen geplagten Libanon herrscht neue Zuversicht. Nach den Worten eines wichtigen Politikers ist die Weihnachtsfreude in diesem Jahr gar »doppelt so groß«

 17.12.2024

Berlin

Chanukka-Basar in der Synagoge Pestalozzistraße: Kuchen, koscherer Glühwein und ein Bühnenprogramm

Am Sonntag findet der Basar im Innenhof der Synagoge statt. Es gibt ein vielfältiges Bühnenprogramm. Auch die »The Swinging Hermlins« werden auftreten

von Christine Schmitt  13.12.2024

Thüringen

Mario Voigt mit Stimmen der Linken zum Ministerpräsident gewählt

Der CDU-Politiker brauchte nur einen Wahlgang

 12.12.2024

Antisemitismus

RIAS: AfD ist eine Gefahr für Juden in Deutschland

Die Recherche- und Informationsstellen Antisemitismus präsentierte auch neue Zahlen zu antisemitischen Vorfällen

 11.12.2024

Amsterdam

Nach antisemitischer Hetzjagd: Haftstrafen für drei Angeklagte gefordert

Einen Monat nach den Übergriffen stehen nun sieben Menschen vor Gericht

 11.12.2024

Brandenburg

Antisemitismusbeauftragter fordert Priorisierung der Bildungsarbeit

Auch die Sicherheit jüdischer Einrichtungen und Menschen müsse gewährleistet werden, sagte Büttner

 10.12.2024