von Wladimir Struminski
Mitte Februar wird Gabi Aschkenasi Generalstabschef der israelischen Armee. Ein Fremder, der Aschkenasi in Zivilkluft sieht, würde nicht unbedingt auf einen Topmilitär tippen. Der urwüchsig-bedächtige Generalmajor sieht eher wie ein Landwirt aus, der seinen Acker mit Ruhe und Beharrlichkeit bestellt. Das ist nicht ganz falsch: Ruhig und beharrlich ist Aschkenasi allemal und stammt auch aus einer Agrarsiedlung. Sein Leben hat er jedoch nicht dem Feld, sondern dem Schlachtfeld gewidmet. Bereits mit 14 entschloss sich der 1954 geborene Junge für die Militärlaufbahn. Ein Jahr nach dem Sechstagekrieg ließ er sich an einem militärischen Internat einschulen. »Ich suchte eine Herausforderung«, erinnerte er sich jüngst in einem Interview.
Seinen regulären Wehrdienst leistete er bei der Golani-Brigade ab, einer Infanterieeinheit ohne viel Glamour. Golani-Soldaten waren keine Teufelskerle wie die Fallschirmjäger. Nach ihrem braunen Barett dreht sich kaum ein Mädchen um. Aschkenasi aber hatte sich freiwillig zu Golani gemeldet. Hier als künftiger Kommandeur gute Arbeit zu leisten, war aus seiner Sicht eine besonders wichtige Aufgabe. 16 Jahre später war es soweit: Oberst Gabi Aschkenasi, inzwischen ein angesehener Offizier, der unter anderem an der Befreiung israelischer Geiseln in Entebbe teilgenommen hatte, wurde Golanis Brigadekommandeur.
Seitdem ist er für die Öffentlichkeit ein »Golantschik«, wie Angehörige der Brigade im Volksmund heißen: einer aus dem Volk. Was in Aschkenasis Fall aber keineswegs unbedarft bedeutet. Nicht umsonst absolvierte er eine Laufbahn, wie sie nur heraus-ragenden Militärführern vorbehalten bleibt. Nach dem Golani-Kommando umfassten die Stationen seiner Karriere die Führung einer Panzerdivision, den Aufstieg zum Mitglied des Generalstabes, das Kommando über den Wehrbezirk Nord und ab 2002 den Posten des Vizegeneralstabschefs. In dieser Eigenschaft rechnete er sich gute Chancen aus, das Oberkommando über die Streitkräfte zu übernehmen. Doch daraus wurde nichts: Im Sommer 2005 setzte Ministerpräsident Ariel Scharon die Ernennung seines Favoriten, Dan Chalutz, durch. Aschekanasi war enttäuscht und verließ die Armee, doch murrte er nicht, jedenfalls nicht öffentlich. Ein Jahr später wurde er zum Generaldirektor des Verteidigungsministeriums berufen. Besser hätte er es nicht treffen können. Nachdem Chalutz vor zwei Wochen wegen des missglückten Libanonkrieges seine Demission einreichte, war Aschkenasi der natürliche Nachfolger: Auf der einen Seite hatte er als Spitzenbeamter des Verteidigungsressorts wertvolle Erfahrungen in der administrativen Führung des Militärapparats gesammelt. Auf der anderen Seite war er nicht direkt für die Patzer der Kriegführung verantwortlich.
Seinen Posten tritt der General, studierte Politologe und Vater zweier Kinder mit großem Vertrauensvorschuss an. Nachdem sich der ehemalige Luftwaffenchef Chalutz während des Libanonkrieges beim Einsatz der Landtruppen schwergetan hat, gelten Aschkenasis Erfahrung beim Heer und seine erwiesene Fähigkeit, groß angelegte Bodenoperationen zu planen und zu führen, als Trumpf. »Gabi verbindet Reife und strategisches Denken mit intimer Kenntnis des Soldatentums«, pries der Knessetabgeordnete und ehemalige Brigadegeneral Effi Eitam den designierten Armeechef. Die Tageszeitung Haaretz freute sich über eine »richtige Entscheidung«. Und ein Kommentator von Yedioth Ahronoth lobte: »Aschkenasi hat bereits bewiesen, dass er in jeder Lage einen kühlen Kopf behält«. Untergebene aus dem Verteidigungsministerium wissen von einem Vorgesetzten zu berichten, der sich auch um die kleinen Details kümmert, bei Bedarf schon mal die raue Seite hervorkehrt, im Inneren aber für seine Mitmenschen empfindlich ist.
Jetzt muss sich der neunzehnte Generalstabschef der Komplimente als würdig erweisen: In den kommenden Jahren müssen die Streitkräfte die Lehren des Libanonkrieges umsetzen, ihre Kampfkraft steigern, ihr Arsenal aufwerten und sich auf die iranische Bedrohung einstellen. Nur so lässt sich ihr Ansehen bei den Bürgern und die Abschreckung gegenüber den Feinden wieder herstellen. Damit hat Aschkenasi die größte Herausforderung seiner Laufbahn noch vor sich.