von Jörg Taszman
Gar keine Frage: Filme gehören auf die große Leinwand. Natürlich auch israelische, von denen erfreulicherweise immer mehr auch in die deutschen Kinos gelangen. Immerhin ein halbes Dutzend Filme aus Israel waren es allein 2008.
Was aber, wenn diese Filme dann nur in Großstädten, kleinen Kinos und zu unmöglichen Uhrzeiten laufen – und zu allem Überfluss noch die größte deutsche Kino-Untugend lauert: die leidige Synchronisation?
Da ist beispielsweise der wunderschöne Film Sweet Mud von Dror Shaul. Die israelisch-deutsche Koproduktion spielt 1974 in einem Kibbuz in Israel: Der zwölfjährige Dvir steht kurz vor seiner Bar Mizwa und beginnt, die strengen Regeln der Kibbuzniks zunehmend infrage zu stellen. Wie alle Kinder wohnt und schläft Dvir nicht bei seinen Eltern, hängt jedoch sehr an seiner alleinerziehenden Mutter Miri, die depressiv ist. Als sie von ihrem neuen Freund, einem französischsprachigen, ehemaligen Schweizer Judochampion besucht wird, blüht sie zunächst wieder auf.
Im Original lebt der Film auch von seiner Sprachenvielfalt: Es wird Hebräisch, Französisch und Englisch gesprochen. In den hiesigen Kinos, in denen Sweet Mud mit dem überflüssigen deutschen Zweittitel Im Himmel gefangen lief, wurde aus Iwrit Deutsch, die englisch- und französischen Passagen mit deutlich hörbarem deutschen Akzent.
Beim Anbieter Absolut Medien ist Sweet Mud jetzt auf DVD erhältlich. Man kann den Film endlich in der hebräischen Originalfassung mit englischen Untertiteln sehen und in seiner Subtilität verstehen. Wer sich für die biografischen und historischen Hintergründe interessiert, erhält im Bonusmaterial ein Interview mit dem Regisseur.
Noch drastischer als bei Sweet Mud ist der sprachliche Sündenfall in der durch-synchronisierten deutschen Fassung von Eran Riklis’ Lemon Tree, der im Oktober letzten Jahres in den deutschen Kinos lief. Der Film erzählt die Geschichte eines israelisch-palästinensischen Konflikts im Kleinen. Vor dem neuen Haus des israelischen Verteidigungsministers steht der Zitronenhain einer arabischen Witwe. Aus Sicherheitsgründen sollen die Bäume gerodet werden. Die Witwe kämpft um ihren Lebensunterhalt, aber auch gegen ihre eigenen Landsleute, die ihr nicht erlauben wollen, Entschädigungszahlungen von den Israelis anzunehmen. Auf deren Seite wiederum entfremdet sich die emanzipierte Frau des Verteidigungsministers von ihrem Ehemann. Im Original war der Film zweisprachig, Hebräisch und Arabisch. In der hiesigen Kinofassung sprachen alle Charaktere Deutsch. Konnten die Palästinenser nun Hebräisch? Oder waren einige der Israelis des Arabischen mächtig? Die Auflösung folgt im März beim DVD-Start des Films.
Nun ist Hebräisch eine schwierige Sprache. Da kann man nicht jedes Wort auf die Goldwaage legen. Aber auch mit dem Englischen tun sich die deutschen Synchronisatoren offenbar schwer, wenn Jüdisches mit hineinspielt. Wer sich die vor Kurzem herausgekommene DVD der US-Komödie You don’t mess with the Zohan in den Recorder legt, in der Adam Sandler den israelischen Geheimagenten Zohan spielt, der eigentlich nur Frisör und Hairstylist werden möchte, erlebt eine Überraschung. Der Film ist in der amerikanischen Originalfassung weit witziger und intelligenter als in der deutschen Kinoversion. Ein Beispiel von vielen: »You are a real Mentsch«, sagt da einer auf Jiddisch-Amerikanisch. Da schwingt atmosphärisch einiges mehr mit als in der von aller Kenntnis New Yorker jüdischer Kultur unbeleckten deutschen Fassung »Du bist echt ein Mensch!«.
Ja, Filme gehören auf die große Leinwand. Aber bitte nur in der Originalfassung. Solange unsere Verleihe darauf insistieren, alles gnadenlos einzudeutschen, ist der Liebhaber ausländischer Streifen mit DVDs besser bedient.