Baden

Gleichgestellt

von Peter bollag

Die Geschichte der Juden im Land Baden ist historisch äußerst bedeutsam: Als erster deutscher Gliedstaat erkennt das noch junge Großherzogtum Baden 1809 die jüdische Religionsgemeinschaft an und es entsteht der Oberrat der Israelitischen Religionsgemeinschaften in Baden. 200 Jahre nach dieser bedeutenden Unter- schrift feiert Baden und die jüdische Gemeinschaft mit einem Festakt im Rathaus sowie einer Ausstellung.
Die Geschichte der Juden in Baden thematisierten auch Charlotte Knobloch, Präsidentin des Zentralrats der Juden in Deutschland, sowie Baden-Württembergs Ministerpräsident Günther Oettingern in ihren Grußworten. Vor einem Erstarken des Antisemitismus warnte der Präsident des Oberrates der Juden in Baden, Wolf- gang Fuhl. Fuhl zeigte aber auch Dankbarkeit dafür, dass sich die jüdische Gemeinschaft im Süden der Republik weiterentwickeln und gedeihen kann.
Mit ihrem Motto »Gleiche Rechte für alle?«, soll sie laut Heribert Moser von der Landesstiftung Baden-Württemberg den Blick auf die Gegenwart lenken. »Ich persönlich empfinde es immer noch als eine Schande, dass in Deutschland jüdische Einrichtungen bewacht werden müssen«, sagt Moser. »Wir möchten mit der Ausstellung zeigen, dass der jüdische Glaube ein ganz wesentlicher Bestandteil der allgemeinen Landesgeschichte Badens war und ist«, sagt Volker Rödel vom baden-württembergischen Landesarchiv.
Die Dokumentation spannt über die 200 Jahre des Ediktes hinaus einen historischen Bogen vom Mittelalter bis in die Neuzeit. Der Schwerpunkt liegt dabei allerdings in jenem 19. Jahrhundert, in dem sich die jüdischen Gemeinden in Baden herausbildeten und entwickelten.
Zentrales Element der Ausstellung ist dabei das Gleichstellungsedikt von 1809, welches im Original mit Siegel und Unterschrift des Großherzogs Karl Friedrich zu sehen ist. Diese – heute fortschrittlich wirkende – Rechtsgleichheit mit den Christen galt allerdings nur dann, wenn sich die Juden so verhielten wie die Christen, betont der stellvertretende Oberrats- vorsitzende David Seldner. Eine rechtliche Gleichstellung ohne jegliche Einschränkungen und Vorbehalte gab es erst 110 Jahr später mit der Verfassung von 1919. Bis zu jenem Nachkriegsjahr hatte ein christlicher Kommissär dem jüdischen Oberrat der Juden in Baden vorgestanden.
Umgekehrt amtierte in Baden – auch das dokumentiert die Ausstellung – 1866 ein jüdischer Finanzminister. Bis 1918 sollte Moritz Ellstätter aus Durlach der einzige eines deutschen Teilstaates bleiben. Er sanierte die badischen Finanzen.
Um mehr zu bieten als ein ausgestelltes Schulbuch, wurde bei der Konzeption die Perspektive der jüdischen Religionsge- meinschaft besonders berücksichtigt. Gezeigt wird jüdisches Leben auch vor der Zeit der Judenverfolgung durch die Natio- nalsozialisten. So ist das Leben angesehener jüdischer Hoflieferanten ebenso dokumentiert wie das der Textilhändler oder Kaufleute; aber auch der Hausierer und Bettler. Dabei wechseln Innen- und Au- ßensicht: den Besuchern wird zum einen gezeigt, wie sich die jüdische Gemein- schaft selber sah, aber auch wie die christliche Umgebung mit ihnen umging.
Ein wichtiges Thema ist dabei die Judenverfolgung und -vernichtung im Na- tionalsozialismus. Von den etwa 25.000 Juden, die Mitte der 20er-Jahre im Ba-dischen lebten, wurde ein Großteil von den Nationalsozialisten deportiert, viele von ihnen in das französische Lager Gurs. 1955 hatten Badens jüdische Gemeinden nur noch 155 Mitglieder. Heute zählt die Gemeinschaft wieder rund 5.000 Juden. Die Ausstellung solle einen Beitrag zur Normalisierung des christlich-jüdischen Verhältnisses leisten, betont der Geschäftsführer der Landesstiftung Baden-Württemberg, Herbert Moser. Die Stiftung greift der Ausstellung finanziell unter die Arme.

»Gleiche Rechte für alle?« ist bis zum 7. Juni dienstags bis sonntags von 11 bis 18 Uhr im Regierungspräsidium am Rondellplatz in Karlsruhe zu sehen. Der Katalog und eine Festschrift sind im Buchhandel erhältlich. Darüber hinaus finden auch eine Reihe von Veranstaltungen statt. Teile der Ausstellung sollen später auch in anderen badischen Städten gezeigt werden.
www.landesarchiv-bw.de

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