von Miryam Gümbel
Für die Münchner ist es seit Jahren ein Fest, wenn die Lichter des großen Chanukka-Leuchters mit Gebet, Liedern, Krapfen und Getränken und natürlich auch einigen Reden feierlich gezündet werden. Am gestrigen Mittwoch war das ein ganz besonderer Tag, denn erstmals leuchteten die Chanukka-Lichter vor der neuen Synagoge Ohel Jakob am Jakobsplatz.
Viele Passanten waren schon in den Tagen davor hier stehengeblieben, lasen die aufgebrachten Schilder der von Gershom von Schwarze gestalteten zweitgrößten Chanukkia der Welt. Schon vor einer Woche beobachteten Passanten neugierig, wie der Leuchter unter Aufsicht des Künstlers installiert wurde.
Daß es diesmal ein ganz besonderes Fest wurde, betonte auch Münchens Oberbürgermeister Christian Ude. Für ihn bedeuten die Lichter an diesem Platz auch ein positives Signal für die Zukunft der jüdischen Gemeinde, die seit dem 9. November dieses Jahres ihr Zuhause wieder im Herzen der Stadt gefunden hat.
Daß dies alles heute möglich ist, bezeichnete auch Ellen Presser, die Leiterin des IKG-Kulturzentrums, als Wunder. Beim Chanukka-Konzert hatte sie an die Zeiten vor 200 Jahren erinnert, als Juden an Rosch Haschana ihre Kinder zum Lärmen ins Treppenhaus schicken mußten, damit ihre christlichen Nachbarn nicht das Blasen des Schofars hörten. »Heute kann jeder das Gemeindezentrum und das Licht von Chanukka sehen – und auch das ist ein Wunder.«
»Bewegt und mit großer Freude« begrüßte IKG-Präsidentin Charlotte Knobloch die Gemeindemitglieder »und vor allem unsere Kinder« zu diesem Konzert. »Zum ersten Mal sind wir hier alle in diesem Saal zusammengekommen.« Auch für Knobloch grenzte es »schon fast an ein Wunder, daß wir hier feiern können und in der wunderschönen Synagoge die Lichter entzünden«. Sie dankte allen Mitwirkenden und Organisatoren, auch ihrer Vorstandskollegin Isabella Kaspi, die für Schulangelegenheiten zuständig ist. Und sie wünschte allen Gemeindemitgliedern ein fröhliches und gesegnetes Chanukka-Fest.
Daß der Abend im Hubert-Burda-Saal allen Freude machte, lag an dem gut konzipierten Programm und dem engagierten Vortrag aller Altersgruppen. Die langjährigen Gemeindemitglieder waren ebenso vertreten wie diejenigen, die erst vor kurzer Zeit aus den GU-Staaten gekommen waren. »Musik ist die Brücke, die alle auch ohne Worte verbindet«, hatte Ellen Presser in ihrem Schlußwort die Faszination erklärt, die dieses Konzert auf alle ausgeübt hat. Der große Saal war bis zum letzten Platz gefüllt – Stehplätze an der Wand und in der Vorhalle inbegriffen. Die Jüngsten saßen ganz vorne auf dem Boden und ließen sich von der Musik auf der Bühne in ihren Bann ziehen.
Daß es ein fröhliches Fest war, bewiesen vor allem die Kinder, die zwischen den Stuhlreihen zu tanzen begannen. Die Erwachsenen begleiteten ganz spontan mit rhythmischem Klatschen den Einzug und Abgang der einzelnen Schulklassen und Chöre.
Als erstes trat der Synagogenchor unter Leitung von David Rees auf, der auch durch den Abend führte. Emotionale Höhepunkte für Groß und Klein waren die Auftritte der Kinder mit Luisa Pertsovska am Klavier. Alle Klassen der Sinaischule bewiesen in deutscher und hebräischer Sprache ihr Können und bezauberten das Publikum. Besonders bewegt verfolgten die Anwesenden das Chanukka-Gedicht, das die beiden zweiten Klassen vortrugen. Jeweils zwei Schüler sagten strophenweise die von Schulleiterin Antonia Ungar getexteten Verse zum Chanukkafest auf: »Unsere Herzen fühlen ganz nah/ das große Wunder von Chanukka!« Damit konnten sich in diesem Augenblick alle identifizieren – und entsprechend groß war der Applaus.
Stark war auch die Begeisterung, als der Kinderchor Hasamir auftrat. Bei dessen zweitem Beitrag, dem Schabbat-Tischlied Jibane Hamikdasch, unterstützte Kantor Avishai S. Levin die Kleinen als Solist.
Den zweiten Teil des Abends bestritt dann der Chor Druschba unter Leitung von Tamara Oumanskaia, begleitet von Igor Bruschkin und Luisa Pertsovska. Damit alle Gäste das Maos Zur mitsingen konnten, waren die Noten und alle Strophen im Programmblatt ausgedruckt.
Dieses Chanukka-Lied, vorgetragen vom Synagogenchor hatten die Besucher bereits zuvor in der Synagoge genossen. Dort waren die drei Chanukka-Lichter zwischen Mincha und Maariv von Kantor Levin entzündet worden. Rabbiner Steven Langnas hatte bei dieser Gelegenheit die Flamme als die Verbindung zwischen den Menschen und dem Ewigen bezeichnet. Er hob hervor, daß – in Abgrenzung zu der in der Antike in allen Religionen und Kulturen üblichen Opfern – die Menora die besondere Verbindung des jüdischen Volkes mit Gott darstelle. Die weiße Flamme bündele zudem alle Farben des Spektrums und sei so Symbol für Einheit und Vollendung. »Die Flamme der Menora repräsentiert unsere einzigartige Beziehung, die wir zu Gott haben. Möge dies auch Symbol sein für die Zukunft unserer Gemeinde!«
Nicht auf das Wunder von Chanukka, sondern auf die Makkabäerbücher war zwei Tage vorher, am ersten Chanukka-Abend, der Jerusalemer Professor Daniel Schwartz bei seinem Vortrag im »Jüdischen Lehrhaus« eingegangen. Neben Studenten und anderen historisch Interessierten kamen auch Familien, die den Abend in einer größeren Gemeinschaft feiern wollten. Die Kinder freuten sich über die bunten Geschenke, die ihnen Eltern oder andere Angehörige zum Abschluß überreichten. Stolz trugen sie diese nach Hause – vorbei an der großen Chanukkia auf dem Jakobsplatz, die noch bis zum morgigen Freitag ihr Licht erstrahlen läßt – jeden Tag eines mehr.