von Wladimir Struminski
In der israelischen Politik gilt Chaim Ramon als Vordenker. In den 90er-Jahren hat er den Gewerkschaftsbund Histadrut umgekrempelt. 2005 spielte er eine wichtige Rolle bei der Gründung der Kadima-Partei. Jetzt will der zum Vizepremier aufgestiegene Erneuerer Jerusalem teilen. Im Vorfeld der Friedenskonferenz von Annapolis regte Ramon an, im Rahmen eines Friedensvertrages arabische Wohnviertel im Osten der Stadt an die Palästinenser abzutreten. Allerdings scheint es so, als wollte Ministerpräsident Ehud Olmert mit Hilfe seines Vertrauten ausloten, wie weit er in den Verhandlungen mit Palästinenserpräsident Mahmud Abbas gehen kann.
Das Stimmungsbild ist diffus. Auf der einen Seite hagelt es Proteste nicht nur von absehbaren Empörungsträgern wie Benjamin Netanjahus Likud und dem siedlernahen nationalreligiösen Lager. Auch der ultraorthodoxe Rabbiner Josef Schalom Eljaschiw warnte vor einer drohenden Teilung Jerusalems als Ergebnis der israelisch-palästinensischen Verhandlungen und rief seine Anhängerschar sogar zu Demonstrationen auf. Dies, obwohl die von Eljaschiw angeführte aschkenasisch-litauische Ultraorthodoxie in Territorialfragen als gemäßigt gilt. Die sefardisch-orthodoxe Schas meldete ebenfalls Widerstand an.
Dagegen sprach sich Strategieminister Awigdor Lieberman, Vorsitzender der nationalsäkularen Rechtspartei Israel Beitenu, für die Aufgabe einiger arabischer Stadtteile aus. Dass dies in Israels Interesse liege, so der Koalitionär, sei für jedermann zu erkennen, dessen Intelligenzquotient »über Null« liege. Freilich: Lieber- mann schwebt auch ein jüdisch-arabischer Bevölkerungsaustausch vor.
Von der Arbeitspartei wäre im Friedensfall kein Widerstand gegen eine Teilung der Stadt zu erwarten: Ihr heutiger Chef, Ehud Barak, legte bereits vor sieben Jahren – damals war er selbst Ministerpräsident – einen detaillierten Teilungsplan für die Stadt vor. Auch die öffentliche Meinung ist geteilt. Umfragen zufolge wären 30 bis 50 Prozent aller israelischen Juden bereit, auf arabische Stadtteile zu verzichten.
Auf palästinensischer Seite löst der von Olmert und Ramon gestartete Versuchsballon wenig Begeisterung aus. Die Palästinensische Nationalbehörde (PNA), so der Jerusalemminister der Westbank-Regierung, Adnan Husseini, werde sich nicht mit »einer Straße hier, einer Straße dort« zufrieden geben. Die PNA beanspruche die Souveränität über den ganzen Ostteil der Stadt. Und das heißt: auch über die Altstadt und den Tempelberg, die Westmauer inklusive. Das aber kann und wird ihnen auch Ehud Olmert nicht anbieten. Zugeständnisse an der Westmauer, warnt der Knessetabgeordnete Effi Eitam, würden bedeuten, dass Juden ihr Heiligtum »nur in Truppentransportern« erreichen könnten. Mit dieser Einschätzung stößt Eitam auch bei solchen Israelis auf Gehör, die seine stramm nationalistische Ideologie nicht teilen.