von Katrin Richter
Zugegeben: Sie sehen besser aus als sie schmecken – Mazzen. Wenn man sich die flachen viereckigen oder runden Teigfladen mal genauer ansieht, dann ähnelt ihre Oberfläche fast der des Mondes mit vielen kleinen Erhebungen und Kratern. Ganz so außerirdisch ist der Geschmack zwar doch nicht, aber nach einer Woche möchten viele die traditionelle Pessachspeise am liebsten nach ganz hinten in den Schrank stellen. Und sie sind nicht traurig, wenn es Mazzen erst wieder zum nächsten Pessachfest gibt.
Eine Woche lang nichts Gesäuertes, sondern nur Fladen aus Mehl und Wasser zu essen, mag halachisch korrekt sein, aber: Ist das auch gesund? Ganz so eindeutig könne man das nicht beantworten, sagt Michael Peters vom Jüdischen Krankenhaus in Berlin. Der kommissarische Chefarzt der Abteilung für Innere Medizin III meint, dass »eine gewisse Variierung im Ernährungsplan immer zu empfehlen ist«. Der Körper brauche Abwechslung, auch daher sei der Verzicht auf gesäuertes Brot »keine schlechte Sache«.
Gesäuert, das bedeutet nicht, dass etwas sauer schmeckt, wie eine Zitrone zum Beispiel. Von Gesäuertem spricht man dann, wenn Lebensmitteln, wie beim Brotbacken, ein »Sauerteig« hinzugegeben wird. Dieser Teig wiederum ist ein Gemisch aus Milchsäurebakterien oder Hefepilzen. Sie fördern den Geschmack des Brotes, lassen es aufgehen, unterstützen die Verdauung und machen es haltbar. Dieser Fermentierungsvorgang dauert einige Stunden. Doch dazu hatten die Israelitien beim Auszug aus Ägypten keine Zeit. Deswegen werden zu Pessach Mazzen gegessen. Für den Lebensmittelchemiker Udo Pollmer ist das einwöchige Mazze-Essen nicht problematisch. »Wenn man in der Zeit nicht gerade einen Marathon läuft, dann ist das vollkommen okay.« Denn Mazzen enthalten auch Kohlehydrate. Und genau die sind – neben Obst, Gemüse und Eiweißen – wichtig, um den Körper zu versorgen. Besonders, um ihn »zu heizen«, sagt Pollmer. Denn der Mensch muss seine Körpertemperatur von 36/37 Grad der jeweiligen Außentemperatur anpassen, und dazu braucht er Energie, die er wiederum am besten aus den Kohlehydraten bezieht. Eine viel wichtigere Rolle spiele das Salz. »Wenn Brot ohne Salz gebacken wird, dann ist es praktisch ungenießbar«, sagt Pollmer. Das ändert sich auch nicht großartig, wenn man einen salzigen Belag draufmacht. »Dann könnte man auch seinen Pullover mit gesalzener Butter beschmieren.« Für den Diätskeptiker Pollmer steht beim Mazze-Essen vor allem der religiöse Zusammenhalt im Mittelpunkt. Speisegesetze, egal von welcher Religion, haben neben der Schaffung einer religiösen Identität natürlich auch andere Hintergründe, wie das Klima oder Tierhaltungsbedigungen, aber primär dienten sie einer Identitätsbildung.
Vielleicht verhält es sich mit Mazzen genauso wie mit Tofu: Es kommt auf die Zubereitung an. Tofu an sich schmeckt zugegebenermaßen nach nicht viel, und auch die Mazze belegt geschmackstechnisch eher einen der hinteren Plätze. Aber wenn Mazze mit Honig oder Haselnusscreme bestrichen wird, dann werden die Fladen schon leckerer. Oder wie wäre es ganz klassisch mit Mazzeknödeln in Suppe? Selbstverständlich gibt es Mazze auch mit Schokolade. Auch die Liebhaber von Vollkornprodukten kommen während Pessach auf ihre Kosten, denn Mazzen können auch aus diesem Mehl hergestellt werden. Für Allergiker, die kein Weizenmehl vertragen, gibt es Mazzen aus Dinkelmehl.
Allerdings kann die plötzliche Nahrungsumstellung auch Probleme mit sich bringen. Denn bei einigen Menschen kommt die Verdauuung durcheinander. Ernährungsexperte Hademar Bankhofer erklärt das so: Der Körper ist gesäuertes Brot gewöhnt. Wenn Menschen nun für einen gewissen Zeitraum gar keine Produkte mit Sauerteig essen, dann verändere das die Darmflora. So habe man zeitweise ein Völlegefühl oder es bildeten sich Luftbläschen. Generell hält er aber das Weglassen von gesäuerten Lebensmitteln für eine Woche für vertretbar. Vorausgesetzt, man ernährt sich nebenbei ausreichend vitaminreich, so dass dem Körper nichts verloren geht. Und Mazze mit frischen Tomaten und Gurken schmecken ja auch ganz gut.