von Corinna Schmitt
Dunkelrot, mit Goldfäden prächtig bestickt, hängt er in der Vitrine, nur durch eine Wand von den Torarollen in der Synagoge getrennt. Der Platz des Toravorhangs im Foyer ist sorgfältig ausgewählt, seine Vorderansicht weist in Richtung der Hauptsynagoge. Dort war das Prachtexemplar ab 1878 im Einsatz, es schmückte den Toraschrank und schützte die Rollen in ihm. Der Vorhang ist das aufsehenerregende Schmuckstück einer Ausstellung im Jüdischen Gemeindezentrum, die am Sonntag, 14. Januar, anlässlich seines 20-jährigen Bestehens eröffnet wird.
»Mannheimer Memorabilien« überschreibt die jüdische Gemeinde die Präsentation, mit der sie ihr Festjahr beginnt. Gezeigt werden außer dem Toravorhang weitere Exponate, die mit der Geschichte der Juden in Mannheim vor der Schoa verknüpft sind. Sie alle künden von dem sehr reichen jüdischen Leben mit 6.500 Gemeindemitgliedern, das es bis zum Nationalsozialismus in der Stadt gegeben hat. »Viele Kultgegenstände und Erinnerungsstücke von damals sind verloren gegangen«, bedauert David Kessler, der zweite Gemeindevorsitzende. Die wesentlichen der wenigen Exponate, die die Zeit überdauert haben, werden nun gezeigt. »Viele Stücke sind uns im Laufe der Zeit von Privatleuten gebracht worden«, erzählt Kessler. Dazu zählt auch ein Glöckchen, das in der Ruine der Hauptsynagoge gefunden wurde. »Der Sohn des Finders hat es uns geschickt, als er erfuhr, wo es herkommt«, berichtet Kessler. Außerdem gibt es einiges Aktenmaterial, ein handschriftliches Slichotbuch aus dem 18. Jahrhundert und Bücher aus der – früher reich bestückten – Gemeindebibliothek. Auch alte Fotografien der Mannheimer Synagogen, ein Vertrag mit dem Hausmeister, eine handgefertigte Chanukkia, eine Bar-Mizwa-Kipa und Briefe sind zu sehen. Einige der Stücke haben das Stadtarchiv und die Reiss-Engelhorn-Museen für die Ausstellung ausgeliehen.
»Das ist wie Strandgut. Wir wissen meist nichts von ihrer Vorgeschichte«, bekennt David Kessler. Der schmucke Toravorhang hingegen erzählt seine eigene Geschichte: Sein Spender Josef Zimmern, der damalige Gemeindevorsteher, hat sich und seine Familie sowie die Heimat Mannheim und das Jahr seiner Entstehung – 1878 beziehungsweise 5638 nach dem jüdischen Kalender – in chiffrierter Form darauf verewigen lassen. Die Säulen und Elemente erinnern an den Tempel-Gottesdienst. »Der materielle wie ideelle Wert ist sehr hoch«, unterstreicht Orna Marhöfer, erste Vorsitzende der jüdischen Gemeinde, die Bedeutung des Fundstücks.
Das Centrum Judaicum in Berlin hat ihn etliche Jahre aufbewahrt und schließlich zurückgegeben. »Wir wissen nicht, wann und wie er dorthin kam, er wurde mit anderen Tora-Vorhängen, Textilien und Leuchtern hinter einer doppelten Wand in der Synagoge gefunden«, erzählt David Kessler. »Wir vermuten, dass der Mannheimer Rabbiner Grünewald veranlasst hat, den Vorhang nach Berlin zu bringen«, erklärt Chana Schütz, stellvertretende Direktorin und Kuratorin des Centrum Judaicum. Gefunden wurde der Vorhang nach 1945 in der Berliner Synagoge Fraenkelufer. In der Zwischenzeit ist er aufwendig restauriert und in der extra für ihn angefertigten Vitrine im Foyer untergebracht worden, wo er dauerhaft zu sehen sein wird.
In ihrem Festjahr hat die Mannheimer jüdische Gemeinde einen reichhaltigen kulturellen Veranstaltungskalender erstellt. »Synagoge trifft Kirche und Moschee« heißt es am 11. Februar, wenn ab 18 Uhr ein ungewöhnliches Klesmerkonzert mit Klavier und Trommel zu erleben ist. Ein Jubiläumsball mit israelischer und internationaler Tanzmusik von Benny Lehnert und seiner Band steht am 24. März auf dem Programm. Am 13. Mai gibt es in Erinnerung an den bekannten Sinto-Jazzmusiker Schnuckenack Reinhardt »Musik in kultureller Vielfalt« mit dem Sannino Reinhard-Quintett. Drei Tage später, am 16. Mai, veranstalten die Kirchen, Moscheen und die Synagoge im Rahmen des 400-jährigen Jubiläums der Stadt Mannheim eine »Meile der Religionen«.
Der große Festakt zum 20-jährigen Bestehen des Gemeindezentrums ist für den 14. Oktober geplant, einen Monat nach dem eigentlichen Jubiläumstag. Doch wegen der Hohen Feiertage sind die Organisatoren auf Oktober ausgewichen. Am 21. Oktober schließlich führt der Mannheimer Kinder- und Jugendchor »Doremi« die Kinderoper Brundibar von Hans Krása und Adolf Hoffmeister auf, zur Erinnerung an die Kinder von Theresienstadt.
Das Programm spiegelt die aktive Arbeit der Gemeinde wider. Als offenes Haus ist es in der ganzen Region bekannt. »Oft besuchen es interessierte Gäste, und zahlreiche türkische Hochzeiten sind schon in den Räumen gefeiert worden«, erzählt Orna Marhöfer. Man hält Kontakt zu den religiösen und kulturellen Institutionen der Stadt.