Simone Veil

Geschenktes Glück

von Miryam Gümbel

Begeisterter Applaus der rund 600 Besucher im IKG-Gemeindezentrum empfing Simone Veil, als sie gemeinsam mit ihrem Mann Antoine und IKG-Präsidentin Charlotte Knobloch in den Hubert-Burda-Saal kam. Die Israelitische Kultusgemeinde hatte, federführend durch ihr Kulturzentrum unter Ellen Presser, mit dem Aufbau-Verlag, der französischen Botschaft in Berlin und dem Institut Française anlässlich des Erscheinens ihrer Autobiografie Und dennoch leben eingeladen. In einer herzlichen Begrüßungsrede stellte Charlotte Knobloch auch als Vizepräsidentin des European Jewish Congress die große europäische Politikerin und Holocaustüberlebende vor. Sie gratulierte ihr zunächst zu ihrer vor wenigen Monaten erfolgten Aufnahme in die Académie Française, zum deutsch-französischen Jounalistenpreis sowie zum Karlspreis.
Zwischen der sonnigen Kindheit von Simone Veil in Nizza und ihrer herausragenden politischen Karriere habe eine Hölle gelegen, die »sie durchgangen und überlebt hat«. Auschwitz, der Todesmarsch und Bergen-Belsen waren, so Knobloch, »Erfahrungen, die sich in das Herz des Menschen eingraben und ihn ohne Zweifel verändern«. Und dennoch leben sei jedoch nach der Befreiung das Motto des weiteren Engagements von Simone Veil gewesen – und es ist der Titel des Buches, das sie ihrer in Bergen-Belsen umgekommenen Mutter, dem Vater und dem Bruder Jean, die in Litauen ermordet wurden, gewidmet hat. Nach solchem Erleben, sagte Charlotte Knobloch, sei es nicht leicht, an das Gute im Menschen zu glauben. Simone Veil habe mit dem Blick nach vorn das Buch aber auch für ihre Familie geschrieben, »für das Glück, das sie mir schenkt«. Simone Veil sei stark genug gewesen, sich von den Nazis nicht brechen zu lassen. Sie habe sich auch dazu entschlossen, als Politikerin Verantwortung zu übernehmen. Die Kraft dafür hat Simone Veil aus einer glücklichen Kindheit geschöpft. Das wurde den Besuchern im Hubert-Burda-Saal gleich bei der Lesung des ersten Kapitels klar, das die Autorin in ihrer Muttersprache vortrug.
Die Eltern schenkten den Kindern – der 1927 geborenen Simone, ihrer Schwester und ihren beiden Brüdern – »ein Zuhause voller Wärme und Geborgenheit und, was in ihren Augen mehr als alles andere zählte, eine ebenso kluge wie strenge Erziehung«. In der Familie erlebte Simone Veil politisches Engagement unterschiedlicher Couleur. Auf Deutsch trug dann die Schauspielerin Caroline Ebner von den Münchner Kammerspielen dieses Kapitel in adäquater Weise vor. Gespannt warteten die Besucher im Saal nun auf das Gespräch, das die Journalistin Franziska Augstein führen sollte. Von dieser zeigte sich das Publikum allerdings schon bald mit zunehmend lauter werdendem Protest enttäuscht: Augstein übersetzte nicht, fasste das Gesagte mit eigener Akzentuierung zusammen und kommentierte die Antworten von Simone Veil. Einer der freundlicheren Kommentare nach Ende der Veranstaltung war: »Frau Augstein wollte of- fensichtlich eine journalistisch-politische Diskussion führen.«
Simone Veil bewahrte dabei als Grande Dame mit langjähriger politischer Erfahrung Haltung, stellte richtig. So war es ihr wichtig, dass ein wesentlicher Faktor für ihr Überleben in Auschwitz der Zusammenhalt und das gegenseitige Stützen der Häftlinge untereinander war. Das menschliche Miteinander verdeutlichte sie etwa mit dem zugeflüsterten lebensrettenden Rat bei der Ankunft in Auschwitz: »Sag, dass du schon 18 bist!« oder am Beispiel eines jungen Mannes, der sich auf einem der Todesmärsche in der Gruppe der zusammenhaltenden Frauen neue Kraft holte. Simone Veil schrieb auch über ihr Leben nach der Befreiung. Der früheren Ge- sundheits-, Familien- und Sozialministerin und ersten Präsidentin des Europäischen Parlaments war es wichtig, etwa bei der Frage des Abtreibungsgesetzes, sich nicht in politische Lager stecken zu lassen, sondern die sachliche Argumentation klarzustellen. In der offenen Fragerunde entwickelte sich dann schnell ein direktes Ge- spräch mit dem Publikum, bei dem auch ihr Europa-Engagement deutlich wurde. So sei ganz Europa gefordert, um etwa Israel eine positive Zukunft zu sichern. Auch wenn diejenigen Besucher, die der französischen Sprache nicht oder nur mäßig mächtig waren, in diesem Schlussteil der Veranstaltung weitgehend ausgeschlossen waren, zeigten sie sich am Ende von der Begegnung mit der Grande Dame Europas beeindruckt: »Es war einfach ein Erlebnis, Simone Veil persönlich zu sehen und zu hören.« Und so bekam der Gast aus Frankreich zum Schluss nicht nur einen Blumenstrauß von Charlotte Knobloch, sondern auch stehende Ovationen vom Publikum. Geduldig erfüllte Simone Veil anschließend alle Signierwünsche.

Simone Veil: Und dennoch leben. Aufbau-Verlag, Berlin 2009, 22,95 Euro.

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