Der Mann, der Zipi Livni, die »neue Hoffnung der israelischen Politik«, zu Fall brachte, trägt am liebsten mit Silber- und Goldfäden bestickte Kaftane. Ovadia Josef, geis-
tiger Führer der sefardischen Schas-Partei, bestimmt seit gut 25 Jahren die Geschicke des Nahen Ostens maßgeblich mit. Angesichts des jahrzehntealten Patts zwischen Rechts und Links in der Knesset ist Schas das Zünglein an der Waage. Somit entscheidet der eigenwillige Rabbiner, der sich niemals einer Wahl stellte, wer letztlich Israels Premier wird. Ohne seinen Segen kann niemand regieren. Um seine Unterstützung zu erhalten, pilgern Ex-Generäle, Präsidenten und ehemalige Premiers zur bescheidenen Jerusalemer Wohnung des Greises mit dem weißen Bart.
Der 88-Jährige ist eine der umstrittenen Persönlichkeiten im Land. Seine Anhänger nennen ihn »unseren Meister«, selbst Rivalen gilt er als »wichtigster Rabbiner unserer Generation«. Josef ist eine rabbinische Autorität, dessen Rechtssprüche wie Enzyklopädien benutzt werden. So beeinflusst er das moderne Judentum vielleicht mehr als jeder andere Rabbiner unserer Zeit. Er erklärte Schwarze in Äthiopien zu Juden und ermöglichte ihre Einwanderung nach Israel. Er stand im Gegensatz zu den aschkenasischen Orthodoxen hinter einem Gesetz, dass den Hirntod zum klinischen Tod erklärt und so Organspenden ermöglichte. Als Oberrabbiner erklärte er 1973 nach dem Jom-Kippur-Krieg Ehefrauen gefallener Soldaten, deren Leichen unauffindbar waren, im Widerspruch zu jüdischem Brauch zu Witwen. So erlaubte er tausenden Frauen, neue Familien zu gründen.
Seine Gegner hingegen stoßen sich an seinen Ausbrüchen. In seinen wöchentlichen Kommentaren geißelt der Rabbiner mit der lila getönten Sonnenbrille immer wieder auch seine politischen Gegner. Ex-
Premier Benjamin Netanjahu wurde zur »blinden Ziege«, den säkularen Politiker Jossi Sarid bezeichnete er als
»Satan«.
Josef kam 1920 in Bagdad als ältester Sohn eines Goldschmieds zur Welt. Vier Jahre später siedelte seine Familie nach Jerusalem über, wo sein Vater einen Kleinwarenladen betrieb. Ovadias Talent wurde schon früh deutlich. Als er neun war, bat ihn sein Mentor in der Toraschule, ein Kapitel für ein Buch zu schreiben. Mit zwölf Jahren veröffentlichte er sein erstes eigenes Werk. Viele folgten. Im Jahr 1973 wurde Josef für zehn Jahre zum Oberrabbiner Is-
raels. Nach Ende seiner Amtszeit trat er an die Spitze der damals neugegründeten sefardischen Schas-Partei.
Die lehnte nun – nach rabbinischem Ratschluss – die Regierungsbildung ab. Dabei ging es wohl weniger um die Jerusalem-Frage, als um die Sicherung von mehr als 200 Millionen Euro in staatlichen Zuwendungen. Livni bot nur 150 Millionen. Schas wollte das Geld für die kinderreichen Familien des unteren Mittelstands, den traditionellen Anhängern des Rabbiners. Zudem braucht die Partei Mittel, um ihr soziales Netz aufrechtzuerhalten. Schas bietet Armen Kindergärten mit kostenlosen Mittag-essen, Schulen und Erwachsenenbildung. Nun hoffen Josef und seine Anhänger, bei Neuwahlen im Frühjahr 2009 für ihren harten Kampf belohnt zu werden. Gil Yaron