von Annette Kanis
Eigentlich wollte er 1996 in Pension gehen. Herbert Rubinstein hatte seine Damengürtelfabrik verkauft, wollte sich aus dem Berufsleben zurückziehen und sich als Vorstandsmitglied der Jüdischen Gemeinde Düsseldorf dem Ehrenamt widmen. Doch dann suchte der Landesverband der Jüdischen Gemeinden Nordrhein einen neuen Geschäftsführer, und Herbert Rubinstein stieg nach mehr als 25 Jahren ehrenamtlicher Arbeit auf einen hauptamtlichen Fulltime-Job um. »Bewegt hat mich, daß durch die Zuwanderung aus der ehemaligen Sowjetunion die Gemeinden in einer Umstrukturierung waren, daß Infrastrukturen und Personal fehlte«, sagt er rückblickend. Eine Herausforderung für den größeren der beiden Landesverbände in Nordrhein-Westfalen, der neben Düsseldorf sieben weitere Gemeinden betreut. Mittlerweile sind zehn Jahre vergangen, und Herbert Rubinstein feiert nicht nur sein Jubiläum als Geschäftsführer, sondern am kommenden Sonntag auch seinen 70. Geburtstag.
Zur Welt kommt er am 26. Februar 1936 im bukowinischen Czernowitz. Heimatort von Schriftstellern wie Rose Ausländer und Paul Célan, einer Stadt mit reicher jüdischer Geschichte, die heute zur Ukraine gehört. Rubinsteins Kindheit ist bestimmt vom Leben im Ghetto und von der Flucht vor den Nationalsozialisten. Sein Vater wird von den Sowjets als Soldat eingezogen, kurz vor Kriegsende erschießen ihn deutsche Soldaten. Seine Mutter, engagiert in der Sozialarbeit der jüdischen Gemeinde, nimmt zu Hause zwei Auschwitzüberlebende auf. Der eine von ihnen heißt Max Rubin, eine Namensähnlichkeit zum leiblichen Vater Max Rubinstein, die den Sohn heute noch bewegt. Er spricht von »meinem zweiten Vater«, wenn er den Einfluß Max Rubins auf sein Leben beschreibt.
Der Mutter wird vorgeworfen, sie habe Schwarzmarktgeschäfte betrieben, und sie wird verhaftet. Sie kann aber fliehen. Mit falschen Papieren gelingt es ihr, gemeinsam mit dem damals zehnjährigen Sohn über Polen und Prag nach Amsterdam zu gelangen. Dorthin ist Max Rubin bereits zurückgekehrt und hat den beiden die Einreise ermöglicht. Bis 1956 lebt die Familie in Amsterdam, dann übersiedelt sie nach Düsseldorf, der alten Heimat Max Rubins.
Gemeinsam bauen sie hier eine Damengürtelfabrik auf. Herbert Rubinstein reist mit den Kollektionen durch die Bundesrepublik und lernt ein Land kennen, dessen Sprache, Literatur und Musik ihm zwar bekannt waren, das ihm dennoch völlig fremd gegenübertritt. In der Düsseldorfer Gemeinde fühlt er sich angenommen. »Hier gab es eine große Czernowitzer Kolonie, und die war für mich die kleine Heimat.« Auf einem Chanukka-Ball lernt er seine spätere Frau Ruth aus Köln kennen. Mit ihr bekommt er eine Tochter und zwei Söhne.
Paul Spiegel sei damals schon ein guter Freund gewesen. »Es ist für mich ein großes Glück, daß wir uns kennengelernt haben.« Motiviert durch den Freund, habe er sich 1972 erstmals zur Gemeinderatswahl gestellt. Zwölf Jahre später wird Herbert Rubinstein Vorstandsmitglied. In seiner jetzigen Funktion als Geschäftsführer des Landesverbandes seien Freundschaft und Zusammenarbeit mit dem heutigen Zentralratspräsidenten immer noch sehr eng.
Jahrzehntelang engagiert sich Rubinstein für die jüdische Gemeinde. Er setzt sich für den Aufbau der Düsseldorfer Yitzhak-Rabin-Schule ein. Maßgeblich wirkt er bei der Entstehung des Staatsvertrages mit dem Land Nordrhein-Westfalen mit. Rubinstein führt neue Infrastrukturen in den Gemeinden ein. Er bemüht sich intensiv um die Integration der Zuwanderer. Aufgrund seines eigenen Schicksals bringt er ihnen stets ein besonderes Verständnis entgegen. Daneben kümmert sich Rubinstein um die 152 stillgelegten jüdischen Friedhöfe. Er spricht als Zeitzeuge vor Schulklassen, hält Vorträge in christlichen Gemeinden über die jüdische Gemeinschaft und macht Synagogen-Führungen. Die »Jüdischen Kulturtage an der Rheinschiene 2007« stehen nun für die kommenden Monate im Mittelpunkt seiner Arbeit. Herbert Rubinstein sieht sie als weiteren Höhepunkt, bevor er sich in den nächsten drei Jahren dann endgültig nur noch ehrenamtlichen Tätigkeiten widmen will.