AKIM

Gesamtkunstwerk

von Pat Christ

Die roten, runden Münder sind wie zu einem Schrei geöffnet. Oder singen die zehn eng beisammen stehenden Männer mit ihren bunten Schlipsen und den braunen Mützen? Ihre gelben, leeren Augen sind so groß wie ihre Münder. Sie haben Sogwirkung. »Freundschaft« nennt Satal Machfouz sein Pastellbild. Es ist eines von 22 Werken geistig behinderter Künstler aus Israel, die in der am 2. November im Zentrum der Jüdischen Gemeinde Würzburg eröffneten Ausstellung »Shalom - gemeinsam gehen!« zu sehen sind.
Der 1972 geborene, taube und stumme Satal Machfouz wohnt in Tel Aviv in einem Heim der Behindertenorganisation AKIM Israel. Über diesen – der deutschen Lebenshilfe ähnlichen – Verein für Menschen mit geistigen Handicaps kam es auch zur Teilnahme des talentierten Malers an einer Wanderausstellung. Die mit insgesamt 60 Werken behinderter Künstler aus Deutschland und Israel bestückte Schau wird im Dezember noch im Internationalen Haus in Frankfurt, und im kommenden Jahr unter anderem in München und 2010 in Israel zu sehen sein. Anlass ist der 60. Jahrestag der Staatsgründung Israels. Im Organisationsteam des Projekts, das ein Jahr lang vorbereitet wurde, engagiert sich auch die 1979 gegründete deutsche Zweigstelle von AKIM.
»Shalom – gemeinsam gehen!« will auf das Können und die Kreativität behinderter Menschen und den fließenden Übergang zwischen »behinderter« und »nichtbehinderter« Kunst aufmerksam machen. Im Laufe des Jahres gewann das Organisationsteam zahlreiche Unterstützer für seine Idee. So beteiligte sich die Regierung von Unterfranken maßgeblich an der Vorbereitung des Ausstellungsprojekts. Zu den wichtigsten Unterstützern zählt auch die Israelitische Kultusgemeinde in Würzburg. Ihr Vorsitzender Josef Schuster hofft, dass es durch die Ausstellung gelingt, »Vorurteile unterschiedlichster Art zu überwinden«. Der zur Eröffnung ausgewählte Standort, das neue jüdische Gemeinde- und Kulturzentrum Shalom Europa in Würzburg, unterstreiche dieses An- liegen, sagt Schuster.
AKIM steht für »Aguda le Kimum Jeladim Mefagrim« und heißt übersetzt »Verein zur Förderung und Rehabilitierung geistig Behinderter in Israel«. AKIM kümmert sich um 30.000 geistig Behinderte und entlastet 125.000 Angehörige. Letztere werden zu Themen wie »Ausbildung« oder »Medizinische Versorgung« beraten, auch gibt es Tagespflegeangebote im Krankheitsfall. Finanziert wird AKIM Israel von lokalen Behörden, dem staatlichen Wohlfahrtsamt und von Spenden aus aller Welt. Auch AKIM Deutschland sammelt Spendengelder. Seit Sommer, als es nach einer längeren Flautephase zur Neugründung des Vereins unter Vorsitz des ehemaligen Präsidiumsmitglieds der Deutsch-Israelischen Gesellschaft, Imrich Donath, kam, geschieht dies mit verstärkter Intensität.
Geld benötigt AKIM Israel, um die mehr als 60 Wohneinrichtungen für 8.000 geistig behinderte Menschen betreiben zu können. Zwischen Kiriyat Shmona im Norden Israels bis Eilat im Süden gibt es mehrere Wohnheime für Schwerbehinderte, wo diese rund um die Uhr professionell gepflegt, therapiert und rehabilitiert werden. AKIM unterhält aber auch Wohnungen für geistig beeinträchtigte Menschen, die für sich selber sorgen können und nur minimale Hilfestellung durch die beim Verein angestellten Sozialarbeiter benötigen. Rund 2.500 Behinderte sind darüber hinaus in fast 60 beschützenden Werkstätten von AKIM beschäftigt. Außerdem hat die Organisation Tagesstätten für geistig behinderte Kinder, Kindergärten, Wohntrainingsgruppen und 70 Freizeitclubs.
Oberstes Ziel von AKIM Israel und seiner internationalen Zweigstellen, Ziel aber auch des Ausstellungsprojekts »Shalom – gemeinsam gehen!« ist die Integration behinderter Menschen in die Gesellschaft. Kunst und Kultur werden von allen Beteiligten als wichtiges Hilfsinstrument hierzu angesehen. Die von AKIM Deutschland gesammelten Spendengelder fließen deshalb zum Teil auch in Kreativprojekte der israelischen Mutterorganisation. Die gründete zum Beispiel ein alternatives Theater für geistig behinderte Schauspieler. Außerdem wird einmal jährlich eine Ausstellung mit Kunstwerken behinderter Menschen in Israel organisiert.
AKIM Deutschland will aber auch über Ausstellungen bekannter jüdischer Künstler ohne Handicap ein kunstinteressiertes Publikum, das sich vielleicht noch nie mit dem Thema »Behinderung« beschäftigt hat, auf die Aktivitäten von AKIM sowie generell auf die Situation behinderter Menschen aufmerksam machen. So sind noch bis zum 16. November in Bad Homburg, wo AKIM Deutschland seinen Sitz hat, Bilder des berühmten israelischen Malers Amos Yaskil zu sehen. Wer eines seiner Werke kauft, unterstützt AKIM ebenfalls. Bisher kamen auf diese Weise mehr als 1.000 Euro an Spendengeldern zusammen.
In den Bildern des Ausstellungsprojekts »Shalom – gemeinsam gehen!« erzählen behinderte Menschen direkt von sich selbst – von ihren Gefühlen, ihren Interessen. So verrät die 1953 in Ma’on Hevrat Neourim geborene Orna in ihren »Briefmarken-Impressionen« von ihrer Begeisterung für Lord Arthur James Balfour und, in einem weiteren Briefmarken-Bild, für den Jüdischen Nationalfonds (KKL) zur Begrünung Israels. Letzteren stellt Orna abstrakt als Fächer aus bunten Farben dar.
AKIM wollte auch in Deutschland lebenden, jüdischen Künstlern mit Behinderung die Chance geben, sich an dem Kunstprojekt zu beteiligen. Leider, bedauert Imrich Donath, ist dies nicht gelungen. Selbst ein Zeitungsaufruf in dieser Zeitung blieb ohne Resonanz.

Die Wanderausstellung kann ab 2009 über Imrich Donath entliehen werden. Mail-Kontakt unter donath@akim-deutschland.de.

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