von Harald Raab
Eine Idee trägt Früchte, auch wenn sie bittersüß sind und ihnen der Geruch von Wehmut entströmt: Die Initiative stammt von Meier Schwarz vom »Synagogue Memorial« in Jerusalem: Deutschlands in der NS-Zeit zerstörte und jetzt wieder erblühende Synagogenkultur in Gedenkbänden der Nachwelt zu erhalten. Der dritte, der Synagogengedenkband Bayern Mehr als Steine ..., ist im Kunstverlag Josef Fink erschienen. Der erste Teilband wurde jetzt in der Jüdischen Gemeinde Regensburg von zwei der Autoren, Barbara Eberhardt und Cornelia Berger-Dittscheid, vorgestellt.
Warum in Regensburg? Jüdisches Leben in der alten Reichsstadt war bis zur Vertreibung der jüdischen Bürger 1519 und Vernichtung der gotischen Synagoge das älteste und traditionsreichste auf dem Gebiet des späteren Königreichs Bayern. Der älteste schriftliche Nachweis jüdischer Existenz in dieser Region stammt aus Regensburg. Ein jüdische Grundbesitzer namens Samuel hat im Jahr 981 an das Kloster St. Emmeram ein Landgut verkauft. Zwischen dem 11. und dem 13. Jahrhundert konnte sich Regensburgs Gemeinde auch zu einem bedeutenden Zentrum jüdischer Gelehrsamkeit entwickeln. Die Talmud-Schule und das rabbinische Gericht erlangten in Mittel- und Osteuropa große Berühmtheit. Hier wirkten der Talmudist Rabbi Ephraim ben Isaak (gestorben 1175 in Regensburg), der weit gereiste Rabbi Petachja ben Jakob ha-Lavan (Ende des 12. Jahrhunderts) und der aus Speyer stammende Rabbi Jehuda ben Samuel he-Chasid, Gründer einer weit beachteten Talmud-Schule und Verfasser des Sefer Chasidim (Buch der Frommen).
Nachdem die Juden Bayerns mit der Reichsgründung 1871 endlich die vollen Bürgerrechte bekommen hatten, blühte Regensburgs Gemeinde wieder auf und errichtete sich 1912 eine repräsentative Synagoge. Sie wurde in der Reichspogromnacht 1938 von den Nazis niedergebrannt. Jüdische Männer mussten am Tag danach in einem Schandmarsch durch die Innenstadt ziehen. Doch nach 1945 gab es wieder neues Leben in der Gemeinde. Aktuell, beim Besuch Papst Benedikt XVI. 2006, kam es nicht nur zu einer Begegnung mit dem Vorstand, an der Spitze Hans Rosengold. Die Gemeinde lud das Gefolge aus dem Vatikan auch zu einem gemeinsamen Essen ein.
All das ist in dem Gedenkband dokumentiert, gleichermaßen von anderen Gemeinden und Synagogen. Rund 200 Synagogen gab es bis in die verhängnisvollen 30er-Jahre in Bayern. Die verhältnismäßig hohe Zahl hat ihre Ursache darin, dass bis zur Gründung des Königreichs Bayern 1804 das Gebiet in viele kleine Herrschaftsbereiche aufgegliedert war. Die Duodezfürsten gewährten den aus den Städten vertriebenen Juden gern ein Unterkommen, nicht aus Menschenfreundlichkeit, sondern weil man von den Juden höhere Steuern und Schutzzölle kassieren konnte.
meier schwarz (hrsg)
Mehr als Steine ... Synagogen-Gedenkband Bayern, Band I, Kunstverlag Josef Fink, Lindenberg im Allgäu, 2007, 560 S. 39 Euro