von Rachel Weinberger
Aus Anlaß des Warschauer Ghettoaufstandes vor 63 Jahren sowie des 61. Jahrestages der Befreiung der Konzentrationslager hat die Israelitische Kultusgemeinde München am Abend des 24. April eine Gedenkveranstaltung in der Synagoge der Reichenbachstraße organisiert.
Nach einem kurzen Gebet begrüßte Rabbiner Steven Langnas die Gemeinde. In seiner kurzen Ansprache versuchte er die Unfaßbarkeit der Leiden der Holocaustopfer in Worte zu fassen. Er bemühte sich darum, deutlich zu machen, wie wichtig es ist, sich immer wieder bewußt zu machen, was damals geschehen ist. »Wir dürfen unsere Geschichte niemals in Vergessenheit geraten lassen.« Als Hinterbliebene seien wir es unseren Vorfahren schuldig, ihr schreckliches Schicksal von Generation zu Generation weiter zu tragen, wie auch ihre Namen niemals zu vergessen, mahnte er.
Auch sollten wir uns vor Augen halten, daß die Juden trotz der schweren Stunden stark genug waren und nicht aufhörten, an Gott zu glauben. Versteckt in den hintersten Ecken, im Geheimen, stets erfüllt von der Angst, dabei beobachtet zu werden, hielten sie an den jüdischen Traditionen fest und feierten Gottesdienste, Barnim Mizwot, sogar Hochzeiten.
Schoschana Rabinovici, eine Überlebende des Holocaust, erzählte von ihren Erlebnissen. 1932 in Paris geboren, in Wilna aufgewachsen, wurde sie im Alter von elf Jahren in das dort errichtete Ghetto gesperrt. Von dort wurde sie in das KZ Kaiserwald deportiert. Eindrucksvoll schilderte sie die Liebe zu ihrer Mutter, der sie ihr Überleben zu verdanken hat. Die Mutter war der kleinen Schoschana niemals von der Seite gewichen. Auch als Mutter und Tochter getrennt wurden und ihr das Zusammensein untersagt wurde, gelang es der Mutter, aus der Ferne ein schützendes Auge auf ihre Tochter zu haben und mit ihr zusammenzubleiben. In Erinnerung an ihre Mutter widmete Schoschana Rabinovici ihr die 1994 erschienene Autobiographie »Dank meiner Mutter«.
Besonders berührt schienen die Zuhörer, als Rabinovici erzählte, was ihre Mutter bei einer Selektion unternahm, um die Tochter vor dem sicheren Tod zu retten. Schoschanas Mutter hatte erkannt, daß nur junge Mädchen und starke, arbeitsfähige Frauen nach rechts – also zum Weiterleben – beordert wurden. Gleichzeitig wußte sie, daß ihre Tochter noch zu jung war, um als arbeitsfähig eingestuft zu werden. Auch wenn einige Versuche zunächst scheiterten, gab die Mutter nicht auf, leerte ihren Sack, in dem sie ihre letzten Habseligkeiten aus dem Wilnaer Ghetto bei sich trug, und befahl der Tochter hineinzusteigen. Die Mutter wurde mit ihrem Sack der rechten Seite zugeordnet, der Seite der Lebenden.
Neben diesem Zeitzeugenbericht beteiligten sich auch Jugendliche an der Gedenkfeier. Die Kinder des Jugendzentrums und der Sinai-Grundschule rezitierten Gedichte zu Ehren der Opfer und sangen melancholische Lieder, die dem Abend einen passenden Rahmen gaben. Als Abschluß gedachten alle gemeinsam mit dem »El Male Rachamim«, dem Totengebet, der sechs Millionen im Holocaust ermordeten Juden.