von Frank Ellmers
»Doremifasolasido«, die Tonleiter immer rauf und runter. Das mögen Sänger nicht, und doch sind die Stimmübungen aus keiner Chorprobe wegzudenken. Sie gehören auch dazu, wenn sich einmal pro Woche der Synagogenchor im schmucken Gemeindesaal der Dresdner Synagoge trifft. In der Regel wird am Donnerstagabend zweieinhalb bis drei Stunden geübt. Und das harte Training zahlt sich aus. Der 16 Mitglieder starke Frauenchor tritt nicht nur bei den Gottesdiensten auf, sondern gibt regelmäßig Konzerte in ganz Deutschland.
Einen viel beachteten Auftritt hatte der Chor zum Beispiel bei der Rabbinerordination im vergangenen September. Auch in der Dresdner Frauenkirche war er schon zu Gast. In diesem Jahr wird sogar eine eigene CD produziert. »Die soll bis Sommer fertig sein«, sagt Chorleiterin Ursula Philipp-Drescher. Damit möchte sich der Chor einmal mit Studioqualität präsentieren und nicht nur mit Konzertmitschnitten.
Und noch ein Novum steht dem Vokalensemble in diesem Jahr bevor: Erstmals will der Synagogenchor ein eigenes Konzert mit Orchesterbegleitung geben. Philipp-Dreschers Wünsche gehen aber noch weiter: »Mein Traum ist es, eines Tages ins Gelobte Land, nach Israel, zu fahren und dort aufzutreten.«
Die Besonderheit ihres Chores umreißt Philipp-Drescher mit den Worten: »Es ist nicht alltäglich, in einer Synagoge einen Frauenchor zu finden und dazu noch mit Orgelbegleitung.« Dies geht zurück auf die Tradition der liberalen jüdischen Gemeinden des 19. Jahrhunderts, wo sich ein moderner musikalischer Synagogenritus mit Chor und Orgel herausbildete. Genau aus diesem Grund wurde auch in der ehemaligen Dresdner Semper-Synagoge eine Orgel nachgerüstet.
Wer im Chor mitwirken möchte – elf der 16 Sängerinnen sind Mitglieder der jüdischen Gemeinden von Dresden und Chemnitz – muss hohen Ansprüchen genügen: Nur singen zu können, reicht nicht aus. Man muss auch in der Lage sein, Noten zu lesen und eigenständig eine Melodie einzuüben. »Am liebsten ist mir natürlich, wenn die Frauen vom Blatt singen können«, betont die Chorleiterin.
Die meisten Chormitglieder – einige sind Zuwandererinnen aus der ehemaligen Sowjetunion – bringen mehr als nur Grundkenntnisse mit. Sie sind Pianistinnen oder professionelle Sängerinnen wie die Sopranistin Nadja Banket. Die Solistin aus Kasachstan ist ausgebildete Chordirigentin und Gesangs- und Musiklehrerin. Und die Altistin Brigitte Rehberg arbeitet hauptberuflich als Konzertsängerin und Gesangspädagogin. Nicht vergessen werden darf der Organist des Chores, Stephan Naumovich. Er hat Musiktheorie und Klavier an der Staatlichen Moskauer Musikfachschule und am Konservatorium in Sankt Petersburg studiert.
Gesungen werde im Synagogenchor überwiegend in Hebräisch, weil die Hauptrichtung des Chores die jüdische Synagogalmusik bleibe, sagt Philipp-Drescher. Das Repertoire umfasse die gesamte Liturgie. Wer in dem Chor mitsingen möchte – neue Mitglieder sind stets willkommen – muss aber kein Hebräisch können. »Alle Texte sind in lateinische Buchstaben umgeschrieben worden«, sagt Philipp-Drescher.
Neben dem eigentlichen Zweck des Chores, zu singen, gibt es, ganz nebenbei, noch einen Nebeneffekt: den der Integration. Die Zuwandererinnen aus Russland, Kasachstan oder der Ukraine würden über die Musik schnell zur Gemeinsamkeit finden, betont die Chorleiterin.