von Jan Opielka
In der polnischen Stadt Lodz ist Ende November ein Vertrag für den Bau der dort geplanten Zentrums des Dialogs unterzeichnet worden, in dem unter anderem die Geschichte der Juden aus Lodz sowie der Holocaust thematisiert werden sollen. Die Einrichtung, die voraussichtlich im Jahr 2011 eröffnet wird, soll rund sechs Millionen US-Dollar kosten, drei Millionen US-Dollar hat der israelische Geschäftsmann Mordechai Zisser bereits gespendet. Das Zentrum soll im Park der Geretteten (Park Ocalalych) an der Grenze des ehemaligen Ghettos errichtet werden. Nach Angaben der Stadt soll das neue Zentrum ein interaktives Schulungszentrum beherbergen, das Besuchern einen Blick auf die jüdische Geschichte der Stadt eröffnen soll.
»Meine Familie ist vor 400 Jahren nach Lodz gezogen«, sagte Mordechai Zisser bei der Grundsteinlegung. »Vor dem Einmarsch der Deutschen war dies eine großartige, wunderschöne Stadt. Dann verschwand sie innerhalb kurzer Zeit. Vor 65 Jahren kam es zur großen Tragödie. Ich bin 53 Jahre alt und kann bis heute nicht begreifen, wie das geschehen konnte.« Zisser ist Gründer und Vorsitzender der Israel Group, einem Immobilienentwicklungsunternehmen, das auch in Mittelosteuropa aktiv ist. Wer den Bau errichten wird, steht in den Sternen, die Ausschreibung wurde noch nicht veröffentlicht, möglich sei auch eine Beteiligung von Zissers Unternehmen, sagte der Pressesprecher der Stadt, Kajus Augustyniak, auf Anfrage der Jüdischen Allgemeinen.
In jedem Fall wird der Unternehmer und Stifter eine beratende Rolle spielen. Das Zentrum soll nach Fertigstellung voraussichtlich von der Stadt Lodz unterhalten werden. Derzeit sind die Stadtväter noch auf der Suche nach weiteren Geldgebern. »Möglich ist daher auch, dass eine Stiftung, die allerdings noch ins Leben gerufen werden müsste, die Einrichtung betreiben wird«, sagte Augustyniak. Durch die aktuelle Wirtschaftskrise sieht die Stadt das Projekt keineswegs gefährdet – vielmehr erhofft man sich Zuschüsse seitens der EU. So besuchte Mitte Dezember die polnische EU-Kommissarin für Regionalpolitik, Danuta Hübner, den geplanten Bauort.
Der Entwurf für das Gebäude steht bereits. Die Architektur soll sich in die grüne Umgebung des Parks einfügen, Bäume und Sträucher sollen durch die zum Teil verglasten Wände in das Innere des Komplexes wachsen. Es werde einen großen Vortragssaal geben, kleinere Arbeitsräume, eine Galerie sowie einen Patio mit eingemeißelten Zitaten ehemaliger jüdischer Bewohner der Stadt, die heute mehr als 750.000 Einwohner zählt. Laut Augustyniak sollen die jüdischen Einrichtungen der Stadt, die Konfessionsgemeinde und die örtliche soziokulturelle Gesellschaft der Juden TSKZ, in einem wissenschaftlichen Beirat vertreten sein.
Nach Angaben der Konfessionsgemeinde in Lodz sei man als Organisation jedoch nicht direkt in die Planungen am Zentrum einbezogen. Allerdings werde man der Stadt mit Rat zur Seite stehen, wenn man gefragt werde, sagte eine Vertreterin der Konfessionsgemeinde auf Anfrage der Jüdischen Allgemeinen.
In Lodz, das im 19. und dem frühen 20. Jahrhundert wegen seiner bedeutenden Textilindustrie gelegentlich als Manchester des Ostens bezeichnet wurde, lebten in der Zwischenkriegszeit etwa 200.000 Juden. Das Ghetto, das die Deutschen 1940 einrichteten und in dem zeitweise etwa 160.000 Juden leben mussten, war nach Warschau das zweitgrößte jüdische Ghetto im besetzten Polen. Nachdem die letzten Bewohner in die Todeslager deportiert worden waren, wurde es 1944 aufgelöst.
Heute zählt die Lodzer jüdische Gemeinde rund 300 Mitglieder.