Unabhängigkeitskrieg

Geburtswehen

von Michael Thomas Berger

In seiner 60-jährigen Geschichte war Israel immer wieder gezwungen, Kriege zu führen, um die Angriffe seiner arabischen Nachbarn abzuwehren. Der Existenzkampf des modernen Israel weist viele Parallelen zur Geschichte des antiken Reiches auf. Im Buch Nehemia wird der Wiederaufbau der Stadtmauer durch die Heimkehrer aus dem babylonischen Exil so beschrieben: »Mit der einen Hand taten sie die Arbeit, und mit der anderen hielten sie die Waffe.«
Die Geburtsstunde des Staates Israel schlug am 29. November 1947, als die Vereinten Nationen für das Ende des britischen Mandats in Palästina und eine Teilung des Landes stimmten. Der Krieg be- gann am 30. November 1947, unmittelbar nach Bekanntwerden der UNO-Resolution, mit Angriffen von arabischer Seite und endete am 20. Juli 1949, dem Tag des Waffenstillstandsvertrages mit Syrien. Auf der Seite der Arabischen Liga standen die Truppen von Ägypten, Syrien, Libanon, Transjordanien und Irak, unterstützt von palästinensischen Milizen. Die Hauptlast der Verteidigung auf jüdischer Seite trugen die 1920 ge- gründete selbstständige Verteidigungs-Organisation Hagana und ihre mobilen, im Mai 1941 aufgestellten, Palmach-Einheiten. In der Haganah standen Mitte Mai mehr als 30.000 Männer und Frauen unter Waffen.
Die Kämpfe der ersten Monate wurden von arabischer Seite durch Milizen und die Arabische Befreiungsarmee (ALA) geführt. Besonders deutlich war die Überlegenheit der Araber im Bereich der schweren Waffen – 40 Kampfpanzer, 200 Panzerwagen mit Kanonen und 140 Feldgeschütze gegenüber einem, zwei beziehungsweise fünf auf israelischer Seite.
In der ersten Phase des Krieges bis Anfang April 1948 beschränkte sich die Hagana auf das System der »aktiven Verteidigung« mit dem Ziel, die Verbindungswege zwischen den jüdischen Siedlungsgebieten freizuhalten und isolierte Siedlungen zu verteidigen. Die arabischen Milizen erzielten bei Angriffen zwar Erfolge, waren aber aufgrund ihrer schlechten Organisation nicht in der Lage, diese in einen bleibenden Vorteil umzuwandeln. In diesem »Kampf um die Landstraßen« mussten die jüdischen Verteidiger in der zweiten Märzhälfte 1948 schwere Rückschläge hinnehmen.
Angesichts dieser verzweifelten Situation fällte die jüdische Führung Anfang April die Entscheidung, von der »aktiven Verteidigung« zu einer offensiven Strategie überzugehen. Die Operation Nachschon zur Öffnung des Verkehrsweges nach Jerusalem war ein militärischer Erfolg und ein wichtiger Wendepunkt im Kriegsverlauf. Es war den jüdischen Streitkräften gelungen, die Initiative an sich zu reißen; dies bewirkte eine enorme Stärkung der Moral auf jüdischer Seite. Die Hagana beschloss, einen umfassenden Plan für die weitere Kriegführung auszuarbeiten: Plan Daleth sah vor, das gesamte Gebiet des zukünftigen jüdischen Staates unter militärische Kontrolle zu bringen. Dies würde eine Verteidigung gegen die zu erwartende arabische Invasion wesentlich vereinfachen.
Zwischen Anfang April und Mitte Mai hatte die Hagana den Plan Daleth verwirklicht und das im UNO-Teilungsplan vorgesehene Gebiet des jüdischen Staates besetzt. Am 14. Mai 1948 proklamierten die Abgeordneten der provisorischen Volksvertretung in Tel Aviv die Gründung des Staates Israel. »Das Land war vor Freude überwältigt«, notierte David Ben Gurion in sein Tagebuch. »Aber wie am 29. November enthielt ich mich der Freude. Der Staat war gegründet. Unser Schicksal liegt nun in den Händen der Verteidigungskräfte.« Nach Mitternacht, mit Erlöschen des britischen Mandats in Palästina, marschierten die Armeen von fünf arabischen Staaten in Israel ein. Die im Norden angreifenden syrischen, libanesischen und irakischen Truppen wurden in der zweiten Maihälfte zurückgeschlagen. Syrien zog sich in das Gebiet östlich des Genezareth-Sees zurück. Die iraki- schen Truppen wichen über den Jordan aus und setzten ihre Angriffe im Arabischen Dreieck zwischen Nablus, Tulkarem und Dschenin fort. Ein Gegenangriff scheiterte am Widerstand der irakischen Invasionsarmee, jedoch konnten die Iraker in Richtung Küstenebene zurückgedrängt werden.
Währenddessen begann die Lage im Zentrum des Landes und bei Jerusalem für die jüdischen Verteidiger kritisch zu werden. Die Arabische Legion Jordaniens hatte den Angriff auf Jerusalem begonnen, das von allen Seiten eingeschlossen wurde. Gegenangriffe israelischer Streitkräfte zur Öffnung der Heerstraße zwischen Latrum und Jerusalem blieben erfolglos. An der Südfront drang die ägyptische Armee seit dem 15. Mai auf zwei Stoßlinien in israelisches Gebiet ein, auf der Küstenstraße in Richtung Tel Aviv und über Beer-sheba und Hebron in Richtung auf Jerusalem. Der Vormarsch auf Tel Aviv konnte Anfang Juni aufgehalten werden, auf der östlichen Vormarschstraße erreichten die ägyptischen Truppen Bethlehem und nahmen zusammen mit der Arabischen Legion am Angriff auf Süd-Jerusalem teil. Gleichzeitig begannen die syrischen und libanesischen Streitkräfte, unterstützt von der Arabischen Befreiungsarmee, erneute Angriffe auf den Norden des Landes.
Die von der UNO für den 11. Juni angeordnete Waffenruhe dauerte bis zum 9. Juli. Trotz zahlreicher Rückschläge war es den jüdischen Verteidigern gelungen, den Vormarsch der arabischen Truppen aufzufangen. In dieser kritischen Phase des Krieges bestanden die jüdischen Streitkräfte, die durch das Gesetz der Provisorischen Regierung vom 28. Mai 1948 zur »Verteidigungsarmee Israels« (Zahal) wurden, aus zehn Infanteriebrigaden, einer mechanisierten Brigade und einer noch in der Aufstellung befindlichen Panzerbrigade. In den auf den Waffenstillstand folgenden »Zehntagekämpfen« erzielte die Zahal Erfolge an allen Fronten; gegen die Arabische Befreiungsarmee in Galiläa, im Zentrum sowie der Region um Jerusalem gegen die Arabische Legion und im Süden gegen die ägyptischen Truppen. Am 19. Juli 1948 trat ein zweiter Waffenstillstand in Kraft, anschließende Vermittlungsversuche der UNO scheiterten.
Am 15. Oktober 1948 begann mit einer Offensive der israelischen Streitkräfte zur Befreiung des Negev die letzte Phase des Krieges, in deren Verlauf die ägyptischen Truppen aus dem Süden des Landes vertrieben wurden. Gleichzeitig waren auch große Erfolge an der Nordfront zu verzeichnen. Das von der Arabischen Befreiungsarmee in Galiläa besetzte Gebiet wurde zurückerobert und der ganze Norden Israels bis zur internationalen Grenze von feindlichen Truppen befreit. Nachdem der UN-Sicherheitsrat die kriegführenden Parteien bereits im November zu Verhandlungen aufgefordert hatte, trat am 7. Januar 1949 die Waffenruhe in Kraft. Zwischen 24. Februar und 20. Juli 1949 wurden Waffenstillstandsverträge zwischen Israel und den beteiligten arabischen Ländern außer Irak ab- geschlossen; damit war der Krieg beendet.
Der Unabhängigkeitskrieg hatte von Israel nicht nur einen hohen Blutzoll gefordert, er war auch der längste, schwerste und gefährlichste Krieg in seiner Geschichte, denn nur dieses eine Mal war die Existenz des Staates von Anfang an gefährdet. Der junge Staat Israel hatte den ersten von einer Reihe von Kriegen um seine staatliche Existenz gewonnen, gestärkt ging er aus ihm hervor.

Der Autor ist Berufsoffizier und Mitarbeiter im Militärgeschichtlichen Forschungsamt der Bundeswehr.

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