von Miryam Gümbel
Die prachtvolle Synagoge an der Dohány-Straße in Budapest gehört zu den bedeutenden Sehenswürdigkeiten der ungarischen Hauptstadt. Wer sich in die Gassen dahinter begibt, findet schnell weitere kleine Synagogen und Bethäuser. Sie sind unauffällig und meist nur bei näherem Hinsehen an Inschriften und jüdischen Symbolen zu erkennen.
Ein ähnlich prächtiges Gebäude wie die Dohány-Synagoge steht in der Rumbachstraße. Die Rumbach-Synagoge ist wesentlich kleiner, und in der engen Straße fällt nicht einmal die Fassade auf. Die Renovierungsarbeiten an der Synagoge haben begonnen. Beim Vorbeigehen am Nachmittag des letzten August-Freitags klingt Musik aus dem Gebäude. Im Innenraum probt das Orchester Jakobsplatz. Wie erfolgreich das Orchester der IKG München seine Heimatgemeinde repräsentiert, zeigt sich am nächsten Tag: Nach Schabbat-Ende ist die Rumbach-Synagoge bis auf den letzten Platz gefüllt.
Anders als die große Synagoge ist die 1872 eingeweihte orthodoxe Rumbach-Synagoge zentral auf dem Grundriß eines Oktogons konzipiert. Und sie ist kleiner. Daß sie einmal ebenso prachtvoll wie die berühmte Nachbarin war, läßt sich bei genauerem Hinsehen schnell begreifen. Dem orthodoxen Ritus entsprechend gibt es Frauenemporen, und die Bima, das Lesepult, steht in der Mitte. Durch die bunten Glasfenster fällt an diesem Nachmittag warmes Licht auf die probenden Musiker.
Zu Zeiten als der Raum noch als Synagoge genutzt wurde, erklangen hier allerdings keine Musikinstrumente. Es gab nur die Stimmen des Männerchores. Eine Talmudschule war dem Haus angegliedert.
Am jenem Freitag nachmittag ist es noch schwer vorstellbar, daß in der ehemaligen Synagoge – 1941 war sie zum Schubhaus umfunktioniert worden – am folgenden Abend ein Konzert stattfinden würde. Doch die beeindruckende Architektur gibt dem Raum bei entsprechender Bestuhlung und Beleuchtung, verbunden mit einer kleinen Ausstellung zur Tora, schnell einen Teil der festlichen Atmosphäre zurück, welche die Synagoge einmal ausgestrahlt haben muß.
Am Samstagabend eröffnet der Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde Budapest, Gusztav Zoltay, den Jüdischen Kultursommer und begrüßt die rund 300 Gäste, unter ihnen die Botschafter Deutschlands und Israels in Ungarn, Hans Peter Schiff und David Admon. Zoltay betont die Bedeutung des Festivals für die Stadt und für Ungarn, und er sagt, er freue sich ganz besonders über die Künstler aus München. Daß dort gerade das größte jüdische Gemeindezentrum Europas entsteht, sei eine weitere Brücke zur jüdischen Gemeinschaft in Ungarn, die eine der größten in Europa ist. Unterstrichen wurde diese Verbindung auch durch die Anwesenheit des ungarischen Künstlers Janos Lehoczky, der die großen Außentore für die neue Synagoge am Münchner Jakobsplatz fertigt.
Vom Vorstand der Münchner Kultusgemeinde war Anita Kaminski mit nach Budapest gereist, zugleich Julia Grossmann und Wolfgang Stegmüller. Alle drei sind im Vorstand des Freundeskreises Orchester Jakobsplatz.
Der Budapester Jüdische Kultursommer, so war bei der Einführung zu hören, fand in diesem Jahr zum neunten Mal statt. Von Oper bis Klesmer reichte das Programm bis zum 3. September, eine Buch- und Filmwoche gab es, Ausstellungen wurden gezeigt, internationale Künstler präsentierten jüdische Kultur und Tradition in deren bunter Vielfalt.
Dabei sollte stets auch die Wechselwirkung mit anderen Kulturen gezeigt werden. Und genau hier war eine weitere Schnittstelle zur Münchner Gemeinde und ganz besonders zum Orchester Jakobsplatz gegeben. Denn beide haben genau die gleiche Zielsetzung: Das Miteinander von Menschen verschiedener Kulturen, Nationen und Religionen.
Daß dieses Ziel nicht nur graue Theorie ist, beweist das Orchester dadurch, daß allein schon seine Mitglieder diesem Ziel entsprechen. Wie offen die jungen Musiker dabei sind, unterstrichen sie bei der Budapester konzertanten Aufführung von Antonio Vivaldis Juditha triumphans. Der Münchner Chor war nicht mitgereist – dafür wirkten ungarische Sänger mit; der Óbuda Chamber Choir und der Kantor der Dohány-Synagoge, Laszlo Fekete. Die Solisten kommen – ebenso wie die Instrumentalisten – aus verschiedenen Ländern: Die Sängerin Stanislava Stoytcheva-Piperova stammt aus Bulgarien, Misaki Ono ist Japanerin, Anne Bredow ist in Bremen geboren. Der Dirigent des Orchesters Jakobsplatz schließlich, der 27jährige Daniel Grossmann, stammt aus einer ungarisch-jüdischen Familie und lebt in München.
Seine Freude über dieses Miteinander und den Erfolg des Abends, an dem die Musiker langandauernden Applaus bekamen, drückte auch Botschafter David Admon aus: Nicht nur, daß er persönlich Vivaldi und seine Musik besonders liebe, sagt er, sondern daß gerade in dieser Synagoge ein solches Konzert mit diesem Orchester stattfinden konnte, hat ihn sehr beeindruckt.
Für Daniel Grossmann, der bei dem Festival bereits zum sechsten Mal dirigierte, war es ein besonderer Höhepunkt, daß er die Eröffnungsveranstaltung mit seinem Orchester gestalten durfte. Beim anschließenden gemeinsamen Abendessen im Restaurant »Carmel« mit den aus München mitgereisten Fans dankte Daniel Grossmann dem Förderverein und den Sponsoren für deren Engagement und materielle Unterstützung.
Ab 2007 wird das Orchester Jakobsplatz im Hubert-Burda-Saal des neuen Jüdischen Zentrums noch viele Konzert- und Musik-Projekte verwirklichen. Wer einige der Musiker schon früher hören will: Auch beim Konzert von Anne-Sophie Mutter am 17. September im Herkules-Saal in München wird die Geigenvirtuosin zusammen mit jungen Musikern ihrer eignen Stiftung sowie des Orchesters Jakobsplatz spielen.