Zvi Carmeli schaut seine jungen Musiker des Kammerorchesters aufmunternd an. Dann hebt er die Arme und gibt den Auftakt – und die Streicher setzen ein. Nun sind auch die Jungstudenten des Julius-Stern- Institutes in Berlin konzentriert bei den Noten und lassen die ersten Takte eines Concerto grosso von Georg Friedrich Händel erklingen. In der Akademie der Künste zeigen die hochbegabten Schüler, was sie sich in den vergangenen Monaten erarbeitet haben. Der israelische Dirigent Zvi Carmeli kann sich doppelt freuen, einmal über deren Fortschritte und darüber, dass nach langem Zittern nun feststeht, dass es auch in diesem Herbst wieder zu »Musikalischen Begegnungen« und dem Deutsch-Israelischen Austauschprogramm kommen wird. Bis vor Kurzem war noch nicht si-
cher, ob es genügend Sponsoren geben wird. Auch die Stiftung Deutsch-Israelisches Zukunftsforum und die Israelische Botschaft haben inzwischen ihre Unterstützung zugesagt.
Drei Orchester leitet Zvi Carmeli in Israel und zwei in Berlin. Deshalb pendelt er viel zwischen den beiden Ländern hin und her. Eines Tages hatte er den Traum, ein deutsch-israelisches Austauschprogramm ins Leben zu rufen, an dem einige der Jungstudenten des Julius-Stern-Institutes und einige vom Jerusalem Music Center mit dabei sein sollten. Musik sei nicht nur Ergebnis wichtigen künstlerischen Schaffens, sie spiele auch eine wesentliche Rolle für das internationale Zusammenwirken und für den Frieden. »Musik ist ein perfektes Beispiel grenzüberschreitender Kunst und Völkerverständigung«, sagt der 44-Jährige.
Freundschaften Im vergangenen Jahr wurde erstmals aus dem Traum Wirklichkeit und die Nachwuchsmusiker trafen sich erst in Israel, um dort in kleinen Zusammensetzungen Kammermusik zu erarbeiten. Bei kleineren Besetzungen müsse man sehr gut zuhören und viel miteinander sprechen, so Zvi Carmeli. Krönender Abschluss war die Bildung eines deutsch-israelischen Kammerorchesters, das in Israel und schließlich auch in Berlin Werke von Mozart, Dvorak, Beethoven und Brahms aufführte. Der Staats- und Domchor Berlin übernahm den vokalen Part. Freundschaften seien damals entstanden, die heute noch zwischen den Jugendlichen bestehen. E-Mails gingen hin und her. Am liebsten sei er in »Kontakt und Verbindungen«, wie er es ausdrückt. Deshalb habe er vor 13 Jahren auch neben seiner Karriere als Solist noch mit dem Dirigieren angefangen. Und mit Kindern und Jugendlichen arbeitet er besonders gerne zusammen, denn die seien stets offen und motiviert dabei. Mehrmals im Jahr kommt er deshalb aus Tel Aviv, um mit den Streichern des Julius- Stern-Instituts in Berlin intensiv zu proben.
Fussball Wenn er dirigiert, dann hört er nur »seine« Musiker. Er ist so konzentriert, dass er nichts um sich herum mitbekommt, sagt Zvi Carmeli. Als er vier Jahre alt war, machte ihn sein Vater mit den Noten vertraut. Damals lebte er noch mit seinen Eltern in Jerusalem. Seine Familie stammt ursprünglich aus Polen und konnte vor dem Naziregime fliehen. Mit sechs Jahren begann er Blockflöte zu spielen und als er acht Jahre alt war, wurde es ernst: Denn dann kam die Geige in sein Leben, die ihn seitdem begleitet. Jahre später kam noch eine Bratsche hinzu, die er wegen ihres tieferen und warmen Klanges sehr mag. Es sei eine sehr intensive Arbeit, auf einem Instrument richtig gut zu werden. Und wie der weitere Weg verläuft, hänge auch davon ab, wie man sein Talent einsetzt. Als Kind war ihm noch nicht klar, dass er Musiker werden will, denn es interessierte ihn damals auch der Fußball. »Ich fand viele Sachen spannend«, meint er heute. Mit neun Jahren ging er mit seiner Mutter in die USA und fiel schon damals durch seine Begabung auf.
Später absolvierte er das Curtis Institute of Music, kehrte nach Israel zurück und trat als Kammermusiker und Bratschen- und Geigen-Solist in New York, San Francisko, Amsterdam, Linz, Bonn, München und Mailand auf. Zudem unterrichtet er Viola in Jerusalem und in ganz Europa. Das zweite Orchester, das er in Berlin leitet, ist das »Chamber Soloists«.
Nach Berlin zieht es Zvi Carmeli wegen der Musik oft, was ihn sehr freut. Die Stadt übe so eine ähnliche Ausstrahlung auf ihn aus wie Tel Aviv, wo er heute mit seiner Frau und seinen zwei Kindern überwiegend lebt – wenn er nicht gerade in einem anderen Land den Takt angibt. Berlin mache auf ihn einen optimistischen Eindruck, die Stadt wirke frei und offen. »Es fühlt sich an wie zu Hause.«