Gas
aus Gasa
Israel muß über
neue Energiequellen
nachdenken
Trotz der Machtübernahme durch die Hamas will Israel über den Kauf von palästinensischem Erdgas verhandeln. Auf Anweisung des kommissarischen Minister-
präsidenten Ehud Olmert werden israelische Unterhändler mit dem britischen Energiegiganten British Gas Gespräche aufnehmen. Bei erfolgreichem Abschluß soll der britische Konzern israelische Kunden mindestens ein Jahrzehnt lang mit Erdgas aus Vorkommen beliefern, die rund 35 Kilometer vor der Küste Gasas liegen. Die Briten haben von der palästinensischen Autonomieregierung (PNA) eine Bohrlizenz für das Gasfeld erworben und suchen seit mehreren Jahren nach Käufern. Bisher vergeblich, weil Israels Regierungschef Ariel Scharon den Deal mit der PNA scheute. Sein Nachfolger Olmert hat da weniger Bedenken. »Der Markteintritt von British Gas«, schwärmte der Generaldirektor des Ministerpräsidentenamtes, Ilan Cohen, »wird für mehr Wettbewerb auf dem Energiemarkt sorgen.«
Nicht alle sehen den Deal so positiv. Zwar tritt offiziell nicht die PNA, sondern das britische Unternehmen als Verkäufer auf. Allerdings fließen Schätzungen zufolge ab 2009 bis zu 45 Millionen Dollar pro Jahr in die Kassen der Autonomieregierung und damit höchstwahrscheinlich an die Hamas. Zudem würde die Lieferung eine nicht zu unterschätzende Abhängigkeit von den Palästinensern bedeuten.
Gegenwärtig wird der noch bescheidene Bedarf aus Vorkommen vor der israelischen Mittelmeerküste gedeckt. Allerdings soll die Erdgasnutzung laut Regie-
rungsvorgabe rapide steigen: In vier Jahren müssen 40 Prozent der Elektrizitätsversorgung gasgestützt sein. Da müssen alternative Lieferanten her. Bisher hat Israel mit Ägypten Erdgaslieferungen vereinbart. Allerdings ist diese Versorgungsbasis unter strategischen Gesichtspunkten zu schmal. Es gibt auch Überlegungen, Erdgas aus Rußland zu kaufen. Doch zum einen wäre das Vorhaben mit Milliardeninvestitionen für die Verlegung einer Pipeline zwischen Israel und der als Umladestation eingeplanten Türkei verbunden. Zum anderen fragen sich die Israelis seit der russisch-ukrainischen Energiekrise, ob auf den Staatskonzern Gasprom in wirklich Verlaß ist. Eine weitere Alternative für die Gasversorgung ist der Kauf von verflüssigtem Erdgas, das nicht über Pipelines, sondern in Tankern befördert wird und damit über den halben Globus transportiert werden kann. Allerdings ist diese Möglichkeit teuer und wegen der langen Anlaufzeit erst in etwa einem Jahrzehnt realisierbar. Bei soviel Ungewißheit kritisiert der israelische Gasexperte und Geschäftsmann Jossi Ram klipp und klar: »In Sachen Erdgasversorgung hat die Regierung versagt.« Unter diesen Umständen erscheint der Gaskauf in Gasa den Entscheidungsträgern in Jerusalem als das kleinere Übel. Ob das Geschäft wirklich zustande kommt, stellt sich bald heraus: Für die Verhandlungen zwischen Israel und British Gas sind nur wenige Wochen anberaumt worden. Wladimir Struminski