Zum zweiten Mal hat die Israelitische Kultusgemeinde (IKG) am vergangenen Donnerstag die Ohel-Jakob-Medaille verliehen. Die Preisträger waren der frühere bayerische Ministerpräsident Günther Beckstein und der Verleger Professor Hubert Burda, »Freunde und verlässliche Partner der Jüdischen Gemeinschaft«, wie IKG-Präsidentin Charlotte Knobloch sagte. Zahlreiche Gäste aus der jüdischen Gemeinde, Vertreter der Kirchen sowie Persönlichkeiten aus Politik und Kultur freuten sich mit den Ausgezeichneten. Die Medaille trägt den gleichen Namen wie die Hauptsynagoge am Jakobsplatz und erinnert an das von den Nazis zerstörte Gotteshaus in der Herzog-Rudolf-Straße, betonte Knobloch in ihrer Ansprache. Aus Freude und Dankbarkeit über die Rückkehr der jüdischen Gemeinschaft ins Herz der Stadt entstand diese Auszeichnung für Persönlichkeiten, »die sich in außergewöhnlicher Weise um die jüdische Gemeinschaft verdient gemacht haben«.
Nähe Knobloch schilderte die Schritte aus dem Hinterhof der Reichenbachstraße in die Öffentlichkeit des Jakobsplatzes: »Schließlich war es zuallererst eine Frage des Vertrauens, sechs Jahrzehnte nach der NS-Diktatur eine neue Heimstatt für die jüdische Gemeinschaft zu bauen und damit zu zeigen, dass wir bleiben wollen. Nach Jahrzehnten, in denen die jüdische Gemeinschaft ein sehr zurückgezogenes Leben führte, war es für uns ein bedeutender Schritt – ja ein Wagnis – nun wieder ein lebendiges Judentum zu zeigen. Ein Judentum zum Anfassen. Wir sind diesen Schritt gegangen in der Hoffnung, dass uns die Münchner mit Offenheit und Interesse begegnen. Weil wir hofften, damit einen Beitrag zu leisten, um Befangenheiten und Unwissenheit abzubauen. Weil wir hofften, Begegnungen zwischen nichtjüdischen und jüdischen Menschen möglich zu machen, damit wir einander kennenlernen und besser verstehen können. Heute wissen wir, dass es richtig und gut war, diesen Schritt zu gehen.« Alleine wäre dieser Schritt nicht möglich gewesen. Tatkräftige Unterstützer begleiteten die jüdische Gemeinschaft auf diesem Weg: Beckstein und Burda und die beiden ersten mit der Ohel-Medaille Ausgezeichneten, der frühere bayerische Ministerpräsident Edmund Stoiber und der Münchner Oberbürgermeister Christian Ude. Das Engagement der Medaillen-Träger ist dazu geeignet, anderen ein Vorbild zu sein, sagte Charlotte Knobloch: »Gewiss: Nicht jeder verfügt über den Einfluss und damit die Gestaltungskraft der Menschen, die wir würdigen. Aber auch im Kleinen kann man Rückgrat, Mut und demokratisches Bewusstsein zeigen.« Die Präsidentin verwies auf einige Schüler, die sich nach dem Versuch des einzigen Stadtrats der Rechten, Propagandamaterial an Schulen zu verbreiten, an die Behörden gewandt hatten und so die Verbreitung des gefährlichen Gedankengutes verhinderten: »Die jüdische Gemeinschaft ist angewiesen auf eine funktionierende Demokratie – also auf Menschen, die den demokratischen Gedanken lieben und leben.«
Sicherheit Dass dieses Miteinander stets aufs Neue gefunden und bestätigt werden muss, wurde bei der Ehrung deutlich. Zunächst bei Günther Beckstein (CSU), in seiner Zeit als bayerischer Innenminister für die Sicherheit zuständig, auf den Christian Ude (SPD) die Laudatio hielt. Eine der Feststellungen Udes dabei war, dass er von seinen abgewählten SPD-Kollegen in Hamburg und Frankfurt, aber auch in London und Rom erfahren hat, dass die Bürger bei diesen ihr Sicherheitsbedürfnis nicht genügend herausgestellt sahen. Beckstein habe erkannt, dass Sicherheit ein wichtiges Anliegen und soziales Bedürfnis sei. Das große Verdienst Becksteins für die jüdische Gemeinschaft aber sei es gewesen, dass er durch ihre Anerkennung als Körperschaft des Öffentlichen Rechts eine Gleichstellung mit den christlichen Religionen und Konfessionen erreicht habe. Ude verwies zugleich auf die Konflikte, die Beckstein auch mit sich selbst austragen musste –zum Beispiel in der Frage des Kirchenasyls als Innenminister einerseits und als Mitglied der Evangelischen Synode andererseits. Nachdem IKG-Vizepräsident Marian Offman Beckstein die Medaille überreicht hatte, ging dieser in seiner Danksagung auf die von Ude angesprochenen Themen ein.
Freundschaft Das Nachkriegskind aus Nürnberg erfuhr, was sich mit den gelernten Fakten seiner Heimatstadt wie Nürnberger Gesetze, Reichsparteitagsgelände, Streicher alles verband. Und er wollte es wissen. Dass dennoch ein Miteinander möglich sein kann, erlebte er durch einen Austausch mit Jugendlichen aus Israel. Ein weiterer Schritt, der ihn tief beeindruckte, war eine Reise mit dem Zeitzeugen Simon Snopkowski sel. A. nach Babij Jar. Weitere Begegnungen und intensive Kontakte bis hin zu einem freundschaftlichen Verhältnis zum Beispiel mit Charlotte Knobloch oder dem Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde seiner Heimatstadt, Arno Hamburger, folgten. Der angesprochene Staatsvertrag und dessen Fortschreibung – seine letzte Amtshandlung als Ministerpräsident – habe ihm stets am Herzen gelegen. Damit hätte die jüdische Gemeinschaft Planungssicherheit. Zum Abschluss betonte er die Verpflichtung, zu einem sicheren Israel zu stehen. Der zweite Preisträger, Hubert Burda, war den Anwesenden als Verleger und nicht zuletzt als großer Förderer der IKG ebenfalls bestens bekannt. Der Gemeindesaal, in dem die Feier stattfand, ist nach ihm benannt. Die Leiterin der Literaturhandlung Rachel Salamander zeigte in ihrer Laudatio aber noch viele unbekannte Seiten des engagierten Mannes. Sie bekannte, als Kind Schoa-Überlebender sei man in der Begegnung mit Deutschen ein »Schnüffler« nach der Vergangenheit des Gegenübers. Nur mit dem Wissen darüber und in der offenen Begegnung könne man davon ablassen. Bei Hubert Burda sei ihr das gelungen. Seine Aufgeschlossenheit habe sie zunächst in Gesprächen über jüdische Kunst und Kultur, später in gemeinsamen Veranstaltungen erlebt.
Und sie erfuhr auch die prägenden Erlebnisse aus seinem Leben. Burdas Vater, Parteimitglied, war sich auch in Zeiten des NS-Terrors seiner menschlichen Verantwortung stets bewusst. Entsprechend hat er zu ei- nem jüdischen Freund gestanden und hat dessen Druckerei in letzter Minute vor deren Arisierung gekauft. Er beschäftigte seinen Freund auch weiter dort. Nach dem Krieg habe er ihm den Betrieb zum Rückkauf angeboten, dieser habe eine finanzielle Entschädigung bevorzugt. Die Freundschaft hatte Bestand – auch die der Söhne.
Leben Mit der auch finanziellen Förderung der Münchner jüdischen Gemeinde habe Hubert Burda bedeutende Impulse zu einer Renaissance des jüdischen Lebens gegeben, stand denn auch in der Verleihungsurkunde zur Ohel-Jakob-Medaille, die IKG-Vizepräsident Moris Lehner überreichte. Burda verband seinen Dank mit einer Betrachtung über den Wandel in der Gesellschaft – deutlich abzulesen am Wandel in den Medien.
Das Miteinander, auf das nicht nur die beiden Preisträger setzen, erlebten die Gäste im Hubert-Burda-Saal. Die Geschwister Richard, Michael und Thomas Ruzicka eröffneten den Abend mit einem sechshändigen Klaviervortrag. In den religiösen Jahresablauf wurden die Gäste eingeführt, als Rabbiner Steven Langnas die Chanukka-Kerzen entzündete.