von Elke Wittich
Über kaum eine reale Person ist so viel bekannt wie über die berühmteste Puppe der Welt: Von den Maßen über die Vorlieben bis hin zur Frage, wie ihr Freund nackig aussieht, gibt es kaum einen Aspekt von Barbies Leben, der nicht bis ins letzte Detail beschrieben wäre.
Kaum einen. Denn wer weiß schon, wie Barbie mit Nachnamen heißt? Die Antwort ist einfach: Handler. Wie Barbies Mutter, Ruth Handler. Die Puppe, die im März ihren 50. Geburtstag feiert, stammt aus einer jüdischen Familie.
Ruth Handler kam am 4. November 1916 als zehntes Kind von Jacob und Ida Mosko, geborene Rubenstein, in Denver, Colorado, zur Welt. Ihr Vater war 1907 in die USA eingewandert, und hatte seinen Nachnamen Moskowicz gleich bei der Registrierung verkürzen lassen. Da er in Osteuropa zum Schmied ausgebildet worden war, wurde er gleich in das Eisenbahn-Zentrum Denver geschickt, wo er Schienen herstellte. Über Barbies Großmutter Ida ist nur wenig bekannt, bei der Geburt von Ruth war sie bereits schwer krank. Kurze Zeit später starb sie, sodass das Nesthäkchen ab dem sechsten Lebensmonat von der ältesten Schwester Sarah und ihrem Ehemann Louis Greenwald aufgenommen wurde.
Mit 16 lernte Ruth bei einer Tanzveranstaltung von B’nai B’rith ihren künftigen Ehemann Elliott Handler kennen. Besonders begeistert war man in der Familie nicht über den Jungen, der von einer Karriere als Künstler träumte. Und so waren die Moskos und die Greenwalds wohl auch sehr erleichtert, als Ruth nach ihrer Ausbildung bekannt gab, dass sie nach Los Angeles ziehen werde, um eine Stelle als Sekretärin bei Paramount Pictures anzunehmen.
Elliott aber folgte seiner Jugendliebe, und im Jahr 1938 heirateten die beiden schließlich. Der Innovationen gegenüber sehr aufgeschlossene Elliott hatte vorgeschlagen, die Möbel für den gemeinsamen Haussstand selbst zu fertigen. Und zwar aus neuen Kunststoffen wie etwa Plexiglas. Die praktisch veranlagte Ruth regte an, dass man dann doch auch gleich eine Möbelmanufaktur gründen könnte. Zeitweise machte das auf Wohnaccessoires spezialisierte Unternehmen zwei Millionen Dollar Umsatz im Jahr. 1945 entstand daraus die Firma Mattel, zusammengesetzt aus dem Vornamenkürzel von Elliott Handler und dem des beteiligten Familienfreundes Harold »Matt« Matson.
Zur Geburt von Barbie kam es dann durch einen Zufall: Ruth Handler hatte beobachtet, dass ihre Tochter eine ganz besondere Art hatte, mit Ausschneide-Puppen zu spielen. Statt des üblichen Mutter- Kind-Spiels ließ die knapp 12-Jährige die Puppen Erwachsenenrollen einnehmen.
Handler schloss daraus, dass eine Frauen-Puppe eine Marktlücke sein könnte – und nachdem sie bei einer Europareise eine solche eher als Gag gedachte Puppe gesehen hatte, der ein Zeitungscartoon zugrunde lag, machte sie sich umgehend an die Arbeit.
Mattel war in der Zwischenzeit zu einem bekannten Spielzeugproduzenten herangewachsen, 1955 hatte das Unternehmen etwas für die Branche Revolutionäres gewagt und auf Fernsehwerbung gesetzt: Man schaltete nicht nur Spots für das Spielzeugwaffensortiment in Cowboyserien, sondern sponserte auch einen Teil der wöchentlich ausgestrahlten Kinderfernsehsendung »Mickey Mouse Club«. Die 500.000 Dollar, die die Reklame für ein Jahr kostete, erwiesen sich als gut angelegtes Geld.
Bekanntheit und Nachfrage schossen in die Höhe, beste Voraussetzungen also für Barbies erfolgreichen Start ins Leben. Im März 1959 erstmals vorgestellt, wurde die nach Handlers Tochter benannte Puppe rasch ein Verkaufsschlager. Kleider, Accessoires und weitere Puppen wie Freund Ken kamen hinzu, 1963 betrug der Umsatz 26 Millionen Dollar, zwei Jahre später hatte er sich bereits vervierfacht.
1970 erkrankte Ruth Handler, bis dahin Präsidentin von Mattel, an Brustkrebs. Aber auch aus diesem Schicksalsschlag versuchte die Barbie-Erfinderin das Beste zu machen: Als sie nach der OP feststellte,
dass die bis dato gebräuchlichen Brust-Prothesen unbequem und äußerst hässlich waren, machte sich Handler daran, neue, passgerechte Ersatzbrüste zu entwerfen, die den durch die Operation ohnehin in ihrer Weiblichkeit verunsicherten Frauen zu etwas mehr Selbstsicherheit verhelfen sollten. Das von ihr gegründete Unternehmen »Nearly Me« stellt noch heute Prothesen und Silikon-Busen her.
Im Jahr 2002 starb Ruth Handler im Alter von 85 Jahren während einer Darmkrebs-Operation. Ihre Barbie geht nun alleingelassen schweren Zeiten entgegen. Nicht nur, weil sich die Puppe, deren Bekanntheitsgrad in Deutschland exakt 100 Prozent beträgt, im Jahr 2004 endgültig von ihrem Lebensgefährten Ken getrennt hat. Barbie geht auch die Zielgruppe aus: Durch den Geburtenrückgang in den Industrieländern gibt es immer weniger Kinder, überdies muss sich Miss Handler die Gunst der kleinen Mädchen mit zahlreichen, oft weit billigeren Konkurrenzprodukten teilen.