Herr Tarchis, Sie leiten seit Februar das Jugendzentrum der Jüdischen Gemeinde Frankfurt. Warum sind Sie ins Rhein-Main-Gebiet umgezogen?
Zuletzt habe ich in Berlin für die Lauder Foundation gearbeitet, eine Stiftung, die jüdische Bildungsangebote unterstützt. Dort habe ich Camps und Seminare für Kinder und Jugendliche organisiert. Jetzt habe ich eine neue Herausforderung gesucht, da traf es sich gut, dass die Gemeinde in Frankfurt auch gerade auf der Suche war.
In Berlin haben Sie diese Arbeit neben einem Studium für Technische Informatik und Elektrotechnik geleistet ...
Es war eher anders herum: Ich habe neben meiner Jugendarbeit auch studiert. Die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen begleitet mich schon seit zwölf Jahren. Schon in Aachen, wo ich seit meinem 15. Lebensjahr gelebt und mein Abitur gemacht habe, habe ich mich in der Gemeinde engagiert. Das Studium kam später, weil es mich interessierte. Vor meinem Umzug nach Frankfurt habe ich es aber fürs Erste abgebrochen, weil einfach keine Zeit mehr dafür blieb. Früher oder später möchte ich es aber beenden.
Was gefällt Ihnen besonders an der Arbeit in Frankfurt?
In Frankfurt gibt es eine sehr große Gemeinde mit vielen Jugendlichen. Wir haben hier auch die finanziellen Möglichkeiten, um sehr viel mit den Jugendlichen zu machen. Wir haben fast jeden Tag geöffnet. Ich denke, es gibt nicht viele jüdische Jugendzentren, die das leisten können.
Sie sind 1980 in Minsk geboren und mit 15 Jahren nach Deutschland gekommen. Warum?
Meine Eltern sahen damals für meinen älteren Bruder und mich in Weißrussland keine Zukunft.
Sahen Sie auch in religiöser Hinsicht keine Zukunft?
Meine Eltern sind nicht sehr stark mit der Religion aufgewachsen. Sie haben zwar einige Traditionen noch bei ihren Eltern gesehen, aber mehr auch nicht. Außerdem war die Ausübung unserer Gesetze damals auch sehr schierig. Zum Beispiel war es sehr kompliziert, in Minsk Matzen zu kaufen. Dadurch, dass ich mich so intensiv mit dem Judentum auseinandergesetzt habe, haben auch meine Eltern einige Riten wieder eingeführt: In Deutschland essen sie mittlerweile zu Pessach Matzen. Das ist übrigens eine Erfahrung, von der mir auch immer wieder Jugendliche berichten: Dadurch, dass die Kinder sich mit dem Glauben auseinandersetzen und davon erzählten, fangen auch die Eltern irgendwann wieder an, Kerzen anzuzünden.
Mit dem neuen Leiter des Jugendzentrums sprach Fabian Wallmeier.