Fünf Fotos und 50.000 Euro
Wien setzt eine Belohnung für die Ergreifung von
NS-Verbrechern aus
von Christian Höller
62 Jahre nach dem Ende des Holocaust hat die österreichische Regierung eine Belohnung für die Ergreifung von zwei bekannten Nazi-Verbrechern ausgesetzt. Wiens Justizministerin Maria Berger ordnete an, dass Privatpersonen 50.000 Euro bekommen sollen, wenn sie mithelfen, den KZ-Arzt Aribert Heim und den SS-Hauptsturmführer Alois Brunner zu fassen. Heim war Lagerarzt im KZ Mauthausen in Oberösterreich und hatte dort hunderte Insassen durch Spritzen oder Folter getötet. Seit 1962 wird der als »Dr. Tod« bekannte Heim per internationalem Haftbefehl gesucht. Zuvor praktizierte er in Baden-Württemberg als Arzt. Es gibt Hinweise, dass sich der 93-Jährige heute entweder in Spanien oder in Chile aufhält.
Noch prominenter ist der zweite Gesuchte: Alois Brunner, die rechte Hand von Adolf Eichmann. Brunner war als Leiter der »Zentralstelle für jüdische Auswanderung« für den Massenmord an Wiener Juden verantwortlich. Brunner soll in Syrien leben. Er wurde zuletzt 2001 von französischen Fahndern in einem Hotel in Damaskus gesehen, danach verlor sich seine Spur.
Experten bezweifeln, dass es die Wiener Regierung mit der Ergreifung der beiden Massenmörder – beide sind österreichische Staatsbürger – ernst meint. Die österreichischen Behörden haben kein Fahndungskommando eingesetzt. Es wurden lediglich fünf Fotos und zwei kurze Täterbeschreibungen auf die Homepage des Wiener Justizministeriums gestellt. Dazu gab es eine Notiz in der Wiener Zeitung. Auch das Kopfgeld ist im internationalen Vergleich niedrig. Deutschland hatte schon vor Jahren für Heim eine Prämie von 130.000 Euro ausgesetzt. Für Hinweise zur Auffindung von Brunner gibt es sogar 330.000 Dollar.
Nach Ansicht der Israelitischen Kultusgemeinde in Österreich kommt die Geste der Regierung viel zu spät. Zudem liege der Verdacht nahe, dass es sich um eine Alibi-Aktion handelt, mit der die Wiener Regierung die immer lauter werdende Kritik von jüdischen Organisationen beruhigen will. Efraim Zuroff, Chef des Simon Wiesenthal Centers in Jerusalem, nennt Österreich ein »Paradies für Nazis«. NS-Verbrecher könnten sich hier frei bewegen. Was die Verfolgung von NS-Verbrechern angeht, sei Österreich »eines der lausigsten Länder der Welt«, klagt Zuroff. In den vergangenen 30 Jahren habe Östereich keinen einzigen Holocaust-Täter hinter Gitter gebracht. Gegen 51 Personen, die in Verbrechen im KZ Auschwitz verwickelt waren, wurde in den 60er Jahren ermittelt. Vier landeten 1972 auf der Anklagebank – und wurden später freigesprochen. Das letzte Urteil gab es 1972 gegen einen Aufseher im KZ Mauthausen. Er kam frei. Ein besonders abscheuliches Beispiel war der vor kurzem verstorbene NS-Psychiater Heinrich Gross. Dieser hatte in der sogenannten Euthanasie-Station Am Spiegelgrund in Wien hunderte Kinder gequält und viele umgebracht. Nach 1945 arbeitete Gross noch jahrzehntelang in Österreich als Gerichtsgutachter an Strafprozessen mit. Auch die KZ-Aufseherin Erna Wallisch wurde nicht angeklagt, wie viele andere auch.