von Sabine Brandes
Neta Aschkenasi sucht nicht mehr. Sie hat ihre Lieblingsstation gefunden. Schon wochenlang hört sie keinen anderen Radiosender mehr. 93,6 ist fest auf der Skala eingestellt. »Die Musik macht süchtig«, sind sich Aschkenasi und ihre Freundinnen einig, während sie in einem Strandcafé in Tel Aviv die erste Frühlingssonne genießen.
Nach einigen Monaten Testbetrieb ist die Station mit dem Namen »RAM FM« seit vergangener Woche nun täglich 24 Stunden auf Sendung. Und die Macher wollen mehr als nur gute Musik und Unterhaltung bringen. Sie haben sich ein hehres Ziel auf die Fahnen geschrieben: die Verständigung zwischen Israelis und Palästinensern. »Es geht nicht nur darum, Musik zu spielen und Werbezeit zu verkaufen. Neben der Unterhaltung ist unser hauptsächliches Ziel, Frieden und Dialog zu unterstützen«, macht Andrew Bolton, Leiter der Nachrichtenabteilung, klar. Darüber hinaus will RAM FM »verlässliche und unabhängige Nachrichten« aus dem Nahen Osten liefern.
Der Südafrikaner Bolton will, dass Is-
raelis und Palästinenser über die neue Radiostation miteinander ins Gespräch kommen. In einer Fremdsprache. »Wenn man hier die Differenzen der Menschen überbrücken will, geht das nur auf Englisch«, ist er überzeugt. Die Station will mindestens eine halbe Million Menschen täglich mit ihrem Signal erreichen.
RAM FM sendet aus der Westbank-Stadt Ramallah und unterhält ein weiteres Studio in Jerusalem. Bislang jedoch haben die Radiomacher lediglich eine Sende-
erlaubnis von den palästinensischen Be-
hörden erhalten, die israelische steht noch aus.
Der Mann, der im Hintergrund die Fä-
den zieht, ist Issie Kirsh aus Südafrika. 1980, noch zu Zeiten der Apartheid, rief der jüdische Geschäftsmann in seinem Heimatland die Station »Radio 702« ins Le-
ben. In Talkshows tauschten sich hier erstmalig weiße und farbige Südafrikaner öffentlich aus, die Sendungen wurden zu einer erfolgreichen Plattform der Verständigung. Bis heute ist die Station eine der beliebtesten des Landes. Nelson Mandela lobte Radio 702 nach dem Ende der Rassentrennung für seinen außerordentlichen Einsatz. »Wenn das Reden beginnt, dann endet der Krieg.« Kirsh hofft, dass diese Formel auch für den Nahen Osten gilt.
»Wir werden zunächst die Musik als eine Art Türöffner benutzen und später ein mehr gesprächsorientiertes Programm einläuten«, erklärt Bolton. »Und hoffen, dass die Leute zuerst die Musik genießen, dann einander zuhören und schließlich sogar zusammen reden.« Angeboten wird ein Mix aus westlicher Popmusik und Talkshows, bei denen sich die Zuhörer telefonisch einbringen können. Stündlich werden Nachrichten gesendet, die aktuelle Ereignisse aus beiden Blickwinkeln beleuchten sollen.
Dass die Situation in Israel und den palästinensischen Gebieten anders ist als in Südafrika, darüber sind sich die Verantwortlichen im Klaren. »Aber eins ist doch identisch«, so Bolton, »dass es hier kein echtes Forum gibt, wo sich die verfeindeten Seiten treffen können, um einander zuzuhören und sich verstehen zu lernen.«
Doch geht es beim Projekt RAM FM nicht allein um Idealismus. Der Sender wird rein kommerziell betrieben und durch Werbung finanziert, Dachgesellschaft ist die »Middle East Broadcasting Holding Ltd.«. Kirsh persönlich hat ein Viertel des Startkapitals von zwei Millionen US Dollar investiert.
RAM FM ist keine neue Idee in Israel. Schon in den achtziger Jahren schickte Abie Nathan von einem alten Frachter vor der Küste Tel Avivs Musik und Friedensbotschaften über den Äther. 20 Jahre lang sendete »Voice of Peace« ebenfalls auf Englisch. 1993 gab Nathan auf. Hängenden Hauptes versenkte er seinen Kahn auf dem Grund des Mittelmeeres – und mit ihm den Traum vom Frieden.
Kirsh ist dennoch optimistisch. Und auch Neta Aschkenasi hält die Idee für wertvoll. Von ihren Eltern hat die Studentin viel vom legendären Radioschiff ge
hört. »Sie sagen immer: ›Das waren noch Zeiten, als Abie alles für den Frieden gab.’ Mal sehen, vielleicht wird RAM FM ja die Voice of Peace unserer Generation.«