60. Geburtstag Israels

Freut euch, Freunde

von Christian Böhme

Die Reden sind gehalten, die Grußworte gesprochen. Nach gut 90 Minuten ist der Festakt »Deutschland gratuliert: 60 Jahre Israel« zu Ende. Fast. Denn zum Schluss gibt es hörbare Gefühle. Mehrere Hundert Gäste erheben sich in der ehrwürdigen Frankfurter Paulskirche ohne Zögern von ihren Stühlen und beginnen zu singen. Nicht lauthals, aber doch vernehmlich. Zuerst die dritte Strophe des Deutschlandliedes, dann die Hatikwa. Es schwingt dabei alles mit, was zuvor an deutsch-israelischer Verbundenheit wortreich beschworen wurde: (kritische) Solidarität, Empathie, Zuneigung und – Freundschaft.
Diese zwei Lieder, musikalisch begleitet von den »Mendelssohn Players«, waren vielleicht der feierlichste Moment am Mittwoch vergangener Woche. Viele Repräsentanten aus Gesellschaft und Politik waren auf Einladung des Zentralrats der Juden in Deutschland, der Deutsch-Israelischen Gesellschaft und des Deutschen Koordinierungsrates der Gesellschaften für christlich-jüdische Zusammenarbeit erschienen, um Israel offiziell zu seinem 60. Geburtstag zu beglückwünschen.
Ganz bewusst hatten die Veranstalter mit der Paulskirche einen besonderen Ort für dieses besondere Ereignis ausgewählt. Hier tagte 1848/49 mit der Nationalversammlung Deutschlands erste frei gewählte Volksvertretung. Insofern sei dieses Gebäude auch ein Symbol für gemeinsame geistige Wurzeln wie »Menschenwürde, Demokratie und Gleichheit«, betonte Frankfurts Oberbürgermeisterin Petra Roth.
Dieser Gedanke spielte auch im Grußwort von Charlotte Knobloch eine große Rolle. Israel sei für Juden in aller Welt mehr als ein »Rettungsanker«, sagte die Präsidentin des Zentralrats der Juden. Der Staat symbolisiere eben auch den »Sieg jüdischer Ethik über den Rassenwahn der Nationalsozialisten«. Israel achte das Völkerrecht und die Menschenrechte. Es garantiere jüdischen und nichtjüdischen Bürgern Gleichberechtigung und Glaubensfreiheit. Gerade angesichts der ständigen Bedrohung von außen sei das keine Selbstverständlichkeit. Der Staat könne stolz auf das Erreichte sein. Und um den Gefahren begegnen zu können, brauche es verlässliche Freunde wie Deutschland.
Das sieht auch Israels Botschafter Yoram Ben-Zeev so. Die Bundesrepublik stehe an der Seite seines Landes, sagte der Diplomat. »Das jüdische Gedächtnis vergisst nicht. Doch wir wissen auch, wer unsere Freunde sind. Und Deutschland ist ein sehr wichtiger Partner.« Ben-Zeev nutzte die Gelegenheit, um auf den Nahostkonflikt einzugehen. An die Palästinenser gerichtet, sagte der Botschafter: »Wir strecken unsere Hand zum Frieden aus.« Die Kinder beider Völker benötigten Bildung und eine gute Wirtschaft, nicht Krieg und Blut.
Dass der jüdische Staat Frieden wolle, hob auch Johannes Gerster hervor, Präsident der Deutsch-Israelischen Gesellschaft. Doch die Hamas, die Hisbollah und der Iran strebten die Vernichtung Israels an. Angesichts dieser Gefahren, aber auch aufgrund der phänomenalen Entwicklung zu einem modernen Staatswesen müsse man Israel zurufen: »Glück auf!«
Freude und Freundschaft – das waren die Punkte, auf die auch Festredner Norbert Lammert ausführlich einging. Mit Blick auf die verhängnisvolle Geschichte von Deutschen und Juden sagte der Bundestagspräsident, es grenze »beinahe an ein Wunder«, dass es um das Verhältnis zwischen Israel und der Bundesrepublik so gut bestellt sei. »Die Beziehungen sind nichts Normales, sondern etwas ganz Besonderes.« Deshalb dürften Deutschland und die Weltgemeinschaft nicht dulden, dass Israel durch einen benachbarten Staat nuklear bedroht werde. Doch der CDU-Politiker beschränkte sich zum Unmut einiger Gäste und im Gegensatz zu seinen Vorrednern nicht allein auf freundliche Geburtstagsgrüße an die Adresse Israels. Lammert, so formulierte es manch ein Beob- achter später, »wagte es« zu kritisieren: »Wer jemals das Elend der Palästinenser, insbesondere im Gasastreifen, gesehen hat, der muss in der Tat auch nach der israelischen Verantwortung für die aktuellen Verhältnisse fragen. Und natürlich ist die Frage erlaubt, ob manche Sicherheitsvorkeh- rungen – zum Beispiel im Westjordanland mit rund 600 Kontrollposten – nicht eher den Islamismus fördern als die Friedensbereitschaft auf beiden Seiten.«
Auf diese Kritik ging Eva Schulz-Jander, katholische Präsidentin des Deutschen Koordinierungsrates, in ihrem Schlusswort nicht ein. Sie warnte aber vor falscher, weil einseitiger Berichterstattung über Israel. Es sei eine der Aufgaben der Gesellschaften für christlich-jüdische Zusammenarbeit, dies zu korrigieren. Schulz- Jander beklagte zudem eine mangelnde Sensibilität der Kirchen gegenüber Israel. Dabei brauche Freundschaft vor allem eines: Vertrauen. In der Paulskirche herrschte daran kein Mangel.

Bundestagswahl

Russlands Außenminister Lawrow lobt AfD und BSW

Es gebe in ihren Äußerungen »viel Vernünftiges«

 14.01.2025

Helsinki

Scholz: Leben der Geiseln muss oberste Priorität haben

Über die Verhandlungen um eine Waffenruhe im Gazastreifen heißt es, ein Abkommen sei greifbar. Der Bundeskanzler hofft auf einen Abschluss

 14.01.2025

Karlsruhe

Verdacht der Volksverhetzung: Polizei ermittelt gegen AfD

Es geht um ein in sozialen Netzwerken gepostetes »Abschiebeticket«. Die zumindest in Teilen rechtsextremistische Partei überschreitet immer wieder Grenzen

 14.01.2025

Vatikan

Papst verurteilt Massaker der Hamas und kritisiert Israel

Regelmäßig steht der Papst in der Kritik, er habe den Terrorangriff der Hamas auf Israel nicht klar genug verurteilt. In seinem neuen Buch tut er genau das, wirft aber auch Israel vor, Terror zu produzieren

von Severina Bartonitschek  14.01.2025

TV

Handgefertigte Erinnerung: Arte widmet Stolpersteinen eine Doku

Mehr als 100.000 Stolpersteine erinnern in 30 Ländern Europas an das Schicksal verfolgter Menschen im Zweiten Weltkrieg. Mit Entstehung und Zukunft des Kunstprojektes sowie dessen Hürden befasst sich ein Dokumentarfilm

von Wolfgang Wittenburg  13.01.2025

Marburg

»Biodeutsch« ist »Unwort des Jahres« 2024

Diskriminierend und »eine Form von Alltagsrassismus«: So stuft die Jury den Begriff ein, wenn er wörtlich verwendet wird. Zum »persönlichen Unwort« der Mitglieder Cheema und Mendel wurde »importierter Antisemitismus«

 13.01.2025

Riesa

Massive Proteste gegen AfD-Bundesparteitag 

Mehrere tausend Menschen sind seit dem frühen Samstagmorgen in der sächsischen Stadt gegen den AfD-Bundesparteitag auf die Straße gegangen

 11.01.2025

Medien

Medienwissenschafter: Erleben Großangriff auf unabhängigen Journalismus

Der öffentliche Raum leide unter »sehr reichen, sehr mächtigen Journalismus-Verächtern«

 10.01.2025

USA

Mel Gibson: »Mein Zuhause sah aus wie Dresden«

Zahlreiche Stars sind von der gewaltigen Feuerkatastrophe in Kalifornien betroffen. Auch Mel Gibsons Haus fiel den Flammen zum Opfer. Nach antisemitischen Einlassungen in der Vergangenheit irritiert er nun einmal mehr mit unpassenden Vergleichen

 10.01.2025