von Veronika Wengert
Vladimir Šalamon hat eine Vision: Der Facharzt aus der kroatischen Hauptstadt Zagreb möchte die Assimilierung der Juden in den Nachfolgestaaten Jugoslawiens verhindern. Daher versammelt er alljährlich im Herbst eine Woche lang Freunde der jüdischen Kultur, um Brauchtum und Tradition zu pflegen. Mehr als 300 Gäste sind es meist, die sich auf den Weg nach Kroatien machen, um am Kulturfestival »Bejahad« (hebr. »Gemeinsam«) teilzunehmen. »Wir möchten die kulturelle Identität der Juden aus dieser Region stärken«, sagt Šalamon.
Die meisten Festivalgäste stammen aus den fünf Nachfolgerepubliken Jugoslawiens, viele von ihnen leben heute jedoch in der ganzen Welt. »Von Kanada bis Australien, aus mehr als 20 Ländern kommen sie angereist«, beschreibt Šalamon den Teilnehmerkreis. Obwohl sich die Veranstaltung zunächst an Juden aus Ex-Jugoslawien richte, seien Interessierte aller Nationen und Religionen gern gesehen, sagt Šalamon. Daher werbe Mitte Mai auch eine Delegation in Tel Aviv für das Festival.
Daß sich die Kulturmanifestation weltoffen gibt, zeigt ein Blick ins Programm. Alljährlich gehört ein ganzer Tag einer Minderheit, die ihre kulturelle Vielfalt in Form von Konzerten, Vorlesungen oder Ausstellungen präsentiert. In diesem Jahr habe man die islamische Kulturgemeinschaft aus Zagreb eingeladen, erklärt Šalamon. Ein weiterer Tag ist einer jüdischen Gemeinde aus dem Ausland gewidmet. Berlin war vor vier Jahren zu Gast, in diesem Jahr stellen sich die Juden von Prag vor. An einem weiteren halben Tag ist der Fokus unterdessen auf Israel gerichtet.
Im achten Jahr seines Bestehens hat sich das einwöchige »Bejahad«-Festival immer mehr etabiliert. Im Vorjahr wurde die Veranstaltung vom kroatischen Staatspräsidenten Stipe Mesic eröffnet, in diesem Jahr wird zudem der Generalsekretär des Europäischen Jüdischen Kongresses, Serge Cwajgenbaum, als Schirmherr erwartet. Inzwischen ist auch die Unesco darauf aufmerksam geworden und fördert »Bejahad«. Dennoch trägt sich die Veranstaltung größtenteils durch Spenden und ehrenamtliches Engagement.
Veranstaltungsort ist die Stadt Hvar, auf der gleichnamigen Insel in Mitteldalmatien, in Urlaubsprospekten als »sonnenreichster Ort Kroatiens« beschrieben. Hier hat das Treffen jedoch nicht immer stattgefunden. Während der Bürgerkrieg tobte, suchten Juden aus Serbien und Kroatien zum ersten Mal 1994 in Ungarn eine Annäherung. Später gesellten sich Teilnehmer aus Bosnien-Herzegowina, Slowenien und Mazedonien hinzu, allerdings immer nur ein Wochenende lang. 1998 habe man sich erstmals in Ex-Jugoslawien getroffen, im slowenischen Bled. Damals wurde auch der Name »Bejahad« geboren, dessen Bedeutung auch Leitmotiv für den interkulturellen Dialog sein sollte. Die jüdischen Gemeinden im ehemaligen Jugoslawien seien so winzig, da müsse man zusammenhalten, sagt Šalamon, der seit der ersten Stunde Direktor und Hauptorganisator des Festivals ist.
Derzeit laufen die Vorbereitungen auf Hochtouren. Gesucht werden noch Projekte wie Theaterstücke, Filme, Buchpräsentationen, Konzerte oder Vorträge. Parallel dazu können Autoren Kurzgeschichten mit jüdischer Thematik einreichen, die allerdings in einer der Landessprachen des ehemaligen Jugoslawien verfaßt sein müssen. »Bejahad« hat sich längst auch unter Nichtjuden herumgesprochen. Im Vorjahr hat zum Beispiel der kroatischstämmige Autor Ivan Ott, der seit Jahrzehnten in Stuttgart lebt, den zweiten Preis gewonnen.
Mit dem Festival ist jedoch längst nicht alles vorbei: Ausgewählte Projekte werden später in verschiedenen Städten in Ex-Jugoslawien unter dem Motto »Bejahad nach Bejahad« gezeigt – für alle, die den Weg nach Hvar nicht gefunden haben.
Anmeldungen für Kulturprojekte und den jüdischen Literaturwettbewerb werden noch bis zum 15. Juni entgegengenommen. »Bejahad 2006« findet vom 9. bis 16. September im Hotel Amfora in der kroatischen Stadt Hvar auf der gleichnamigen Insel statt.
Kontakt: bejahad@inet.hr, Tel. 00385 - 1 - 481 40 96, Website mit Festival-Bildern: www.bejahad.org