Verzicht

Frei durch Mazze

von Rabbiner Yaacov Zinvirt

Am Ende des Abschnitts, den wir an Chol HaMoed Pessach lesen, steht Folgendes geschrieben: »Du sollst ein Böcklein nicht in der Milch seiner Mutter kochen.« Dieses Verbot wird auch an anderer Stelle erwähnt, im 5. Buch Moses 14,21. Dort jedoch steht es in Verbindung mit anderen Speisevorschriften, wie die Aufzählung der Merkmale für Vierbeiner, Fische und Vögel, die für den Verzehr nach jüdischem Gesetz erlaubt sind.
Im Laufe der Zeit hat es viele Versuche gegeben, den Hintergrund für die Kaschrutgesetze zu suchen. Einer davon war, sie in Zusammenhang mit Hygienevorschriften zu sehen. Die Erklärung in der Tora ist jedoch eine völlig andere: »Ki kadosch ata, laschem elokecha« – Denn heilig bist du dem Ewigen, deinem G’tt (5. Buch Moses 14,21). Indem wir die Kaschrutgesetze, die uns in der Tora gegeben sind, einhalten und befolgen, sind wir in der Lage, uns selbst zu heiligen.
Es stellt sich nun die Frage, was Heiligkeit bedeutet? Wie wirkt diese Heiligkeit auf uns, wenn wir die Speisegesetze einhalten? Werden wir dann heilig?
Der Mensch unterliegt zahlreichen Bedürfnissen und Trieben, Verlangen und Begierden. Eines davon ist die Nahrungsaufnahme, unsere Lebensgrundlage. Sobald dem Menschen Grenzen auferlegt werden, die ihn einschränken, gerät er beim Aufkommen seines Verlangens in einen Konflikt. Er steht vor der Entscheidung: Kann ich meinen Bedürfnissen freien Lauf lassen oder unterwerfe ich mich den Grenzen? Die Möglichkeit zu entscheiden, zeichnet uns Menschen gegenüber dem Tier aus. Das Tier folgt instinktiv seinem Drang. Der Mensch, der in der Lage ist, seine Gesetze zu befolgen, heiligt sich nun selbst, da er Herr seiner Triebe und Bedürfnisse geworden ist.
Das Verlangen an sich wird in der Tora nicht negativ behandelt, es soll auch nicht völlig unterdrückt werden, sondern das Ziel ist es, sich zu beherrschen. Die Tora gibt uns mit ihren Gebrauchsanweisungen, den Geboten, die Möglichkeit, unsere Beherrschung zu trainieren.
Im 1. Buch Moses 1,31 steht: »Wajar elokim et kol ascher assa we hine tov meod« – Und G’tt sah alles, was er gemacht hatte, und siehe, es war sehr gut. Der Midrasch behandelt dies wie folgt: »Hine tov meod« entspicht den guten Trieben, das Wort »we« (hebräisch »und«) steht für die bösen Triebe. Das soll heißen: Sowohl die Erschaffung der guten als auch die der schlechten Eigenschaften war gut.
Im Midrasch wird die Frage gestellt, ob der böse Trieb auch positiv sein kann. Die Antwort ist: Ohne Egoismus, Neugier, Neid, Gier würde der Mensch nicht für seine kommende Generation tätig werden. Die genannten Eigenschaften sind ein Antrieb zur Familiengründung, zu Hausbau und Wettbewerb mit seinem Gegenüber, zur Forschung, um besser und weiter zu kommen, die Welt zu modernisieren. Fehlte dieser Antrieb, so wäre die Menschheit apathisch, aber es muss ausgewogen und wohldosiert sein.
Das an Pessach verbotene Chametz, Gesäuertes, ist Symbol für die sich ausbreitenden Triebe, den Egoismus. Der Egoismus ist der Motor aller negativen Eigenschaften, denn der Mensch, der sich zwanghaft ins Zentrum stellt, vergisst seine Gren- zen. Mazza hingegen, das Ungesäuerte, dünn und flach, steht für Bescheidenheit und Beherrschung.
Das Chametz-Verbot an Pessach bezieht sich auf die bekannte Geschichte des Auszugs aus Ägypten, als die Zeit für die Vorbereitung des Wegproviants nicht mehr ausreichte. Wenn das Verbot des Chametz an den Auszug aus Ägypten erinnern soll, warum essen wir dann stattdessen Mazza, die fast wie Chametz ist?
Beide, Chametz und Mazza, bestehen aus Wasser und Mehl. Mazza jedoch wird ohne Zusatz von Hefe gebacken. Bei der Herstellung von Mazza achtet man streng darauf, dass vom Einrühren des Teigs bis zum Herausnehmen aus dem Ofen 18 Minuten nicht überschritten werden. Der Verlauf der Herstellung ist also durch unsere Arbeit und unseren Einsatz so zu steuern, dass Gärung verhindert wird. Genauso ist es mit der Ausbreitung der Bedürfnisse: Die müssen wir durch Selbstkontrolle beherrschen. Durch die Einhaltung unserer Speisegesetze haben wir die Möglichkeit, unser persönliches heiliges Niveau zu erreichen.
Gerade an Pessach, dem Fest der Freiheit, werden wir daran erinnert, dass nur derjenige wirklich frei ist, der Herr seiner selbst und nicht Sklave seiner Bedürfnisse ist. Chag Pessach kascher we sameach!

Der Autor ist Rabbiner der Jüdischen Gemeinde Duisburg – Mülheim/Ruhr – Oberhausen.

Berlin/Paris

Scholz erinnert an »Charlie Hebdo«-Anschlag

Die schreckliche Bilanz der Terroranschläge vom 7. Januar 2015. 17 Tote in der Redaktion der Zeitschrift und in einem koscheren Supermarkt

 07.01.2025

Scholz äußert sich zu Merkels Memoiren

 06.01.2025

Österreich

Bundespräsident trifft FPÖ-Chef Kickl

Die FPÖ scheint drei Monate nach der Parlamentswahl kurz vor dem Einzug ins Kanzleramt zu stehen

 06.01.2025

Österreich

ÖVP offen für Koalitionsgespräche mit FPÖ

Monatelang hatte die konservative ÖVP versucht, eine Regierung ohne die rechte FPÖ zu bilden. Nun schwenkt die ÖVP um

 05.01.2025

Berlin

Äußerungen des US-Tech-Milliardärs Elon Musk: »Fundamentaler Angriff auf die deutsche Demokratie«

Wolfgang Thierse (SPD) kritisiert den Tech-Milliardär und Trump-Berater Elon Musk scharf

 03.01.2025

TV-Tipp

Fränkischer Stoffhändler mit beispielloser Erfolgsgeschichte

Mini-Serie über Jeans-Erfinder Levi Strauss als TV-Premiere

von Jan Lehr  02.01.2025

Gaza

WHO-Chef fordert Freilassung von Krankenhausleiter in Gaza

Israel wirft dem Direktor des Kamal-Adwan-Krankenhauses eine Beteiligung an Terroraktivitäten vor. Er werde gegenwärtig verhört, heißt es

 30.12.2024

Jerusalem

Netanjahu würdigt Jimmy Carter als Friedensstifter

Der ehemalige US-Präsident ist am Sonntag im Alter von 100 Jahren gestorben

 30.12.2024

Jerusalem

Netanjahu im Krankenhaus - Gericht verschiebt Anhörung

Die Gerichtstermine im Korruptionsprozess gegen Israels Regierungschef kollidieren oft mit seinen Amtsgeschäften. Diesmal zwingt ihn jedoch ein anderer Grund zu einer Absage

 29.12.2024