Frauenfragen
Judaistik-Konferenz der Freien Universität
Rund 50 Wissenschaftlerinnen, Wissenschaftler, jüdische Gelehrte und Aktivistinnen nahmen in der vergangenen Woche in Berlin an der Tagung »They also Participated in the Miracle« teil. Die Forscherinnen und Forscher aus Europa, Israel und Nordamerika, die sich auf dem Gebiet der Gender Studies und des jüdischen Religionsgesetzes (Halacha) spezialisiert haben, folg-
ten einer Einladung der Forschungsgruppe »Feministischer Kommentar zum Babylonischen Talmud« des Institutes für Judaistik an der Freien Universität Berlin. An-
hand des Talmudabschnittes Moed referierten sie den aktuellen Forschungsstand zu Fragen nach den Rechten, der Bedeutung und der Funktion von Frauen im Bereich des jüdischen Festkalenders.
»Uns ist eine Diskussion über genderrelevante Fragen auf sehr hohem Niveau gelungen«, resümierte Tal Ilan, Professorin am Institut für Judaistik und Leiterin der Tagung, nach der Veranstaltung. »Deutschlandweit war sie die erste zum Thema Gender im Bereich der Jüdischen Studien, alle Beteiligten sind inspiriert und willens, sich unserem Projekt zu widmen.« Unter der Leitung von Tal Ilan sollen die zwölf Traktate der Ordnung Moed des Babylonischen Talmuds, die ein schlüssiges Bild der für die Feier- und Festtage geltenden Vorschriften und Bräuche ergeben, systematisch kommentiert werden. Eine erste Publikation ist für Anfang 2007 geplant.
Die Rolle der Frau im rabbinischen Judentum besitzt aber nicht nur wissenschaftliche, sondern auch lebensbezogene Bedeutung. In der Jüdischen Gemeinde zu Berlin engagieren sich feministische Aktivistinnen unter anderem für die gleichberechtigte Teilnahme bei der Ausübung religiöser Pflichten, für das gleichberechtigte Lernen von Tora und Talmud und die fraueninklusive Gebetssprache.
Diese Bewegung aufgreifend, verließen die Veranstalter den akademischen Rahmen und eröffneten ihre Tagung in den Räumen der Stiftung Neue Synagoge Berlin – Centrum Judaicum. Mit dem Festvortrag »Are Women Jews? – Women in the Jewish Covenant« des Harvard-Professors Shaye Cohen präsentierten sie ihre Forschungsergebnisse einer interessierten Öffentlichkeit. »Es paßt ja zum unserem Thema, daß wir uns hier auf der ehemaligen Frauenempore der Neuen Synagoge befinden«, begrüßte Hermann Simon, Direktor der Stiftung Centrum Judaicum und Kooperationspartner der Tagung, die zahlreichen Besucher der Eröffnungsveranstaltung: »Die Frauen hier konnten sehen und gesehen werden, vor allem letzteres soll man nicht unterschätzen.« Mit einem Zitat von Pnina Navé Levinson über deren Kindheitserinnerungen an die Synagoge Oranienburger Straße: »... Die ganze Familie fühlte sich zur Toralesung gerufen, wenn ein Vater oder Bruder hervortrat«, wünschte Hermann Simon der Tagung einen angenehmen Verlauf. Anke Ziemer