von Ingo Way
Nach dem Wahlsieg Nicolas Sarkozys bei der französischen Präsidentschaftswahl am 6. Mai herrschte in Israel eine gewisse Euphorie. Hatte Sarkozy doch der israelischen Tageszeitung Haaretz zufolge versichert: »Ich bin ein Freund Israels, und Israel kann sich immer auf meine Freundschaft verlassen.« Somit schien der Konservative Sarkozy für eine Abkehr von der einseitig pro-arabischen Politik seines Amtsvorgängers Chirac zu stehen. Israels Premierminister Ehud Olmert gehörte zu den ersten Staatschefs, die Sarkozy zu dessen Wahlsieg gratulierten. Beide vereinbarten baldige bilaterale Gespräche. Auch der Likud-Vorsitzende Benjamin Netanjahu, der Sarkozy als seinen »persönlichen Freund« bezeichnet, zeigte sich erfreut. Ebenso Vizepremier Schimon Peres, der Sarkozys Vorschlag, im Nahen Osten eine EU-ähnliche Staatengemeinschaft zu bilden, in der Jerusalem Post als »sehr interessante« Anregung bezeichnete.
Mit seinen Ankündigungen, den Iran unbedingt am Erwerb einer Atombombe hindern zu wollen und das transatlantische Bündnis mit den USA wieder zu stärken, befindet sich Sarkozy politisch auf einer Linie mit Bundeskanzlerin Angela Merkel. Eine neue deutsch-französische Achse Sarkozy/Merkel könnte eine Abkehr von der Achse Chirac/Schröder bedeuten, die sich offensiv gegen die USA stellte und gegenüber dem Iran einen Schmusekurs fuhr. So will sich Sarkozy auch gleich nach seinem Amtsantritt am 16. Mai als erstes »sehr schnell« mit seiner deutschen Amtskollegin treffen. Merkel ist überzeugt: »Ich glaube, es wird eine gute Zusammenarbeit mit ihm geben.«
Dass damit eine Wende in der Nahostpolitik der Europäischen Union zu erwarten ist, will eine Sprecherin des Auswärtigen Amtes auf Nachfrage der Jüdischen Allgemeinen nicht bestätigen: »Eine Wende könnte es nur geben, wenn die EU bisher einseitig pro-palästinensisch gewesen wäre«, was aber besonders unter der deutschen Ratspräsidentschaft nicht der Fall sei.
Des Weiteren gibt es immer noch die Niederungen der Realpolitik. Der Fraktionsvorsitzende der konservativen Europäischen Volkspartei (EVP) im Europäischen Parlament, der Franzose Joseph Daul, glaubt nicht an eine bedeutsame Veränderung des Status quo. Das gute Verhältnis Frankreichs zur arabischen Welt werde Sarkozy nicht in Frage stellen, betonte Daul in einem Interview mit dem Deutschlandradio. Er werde »auf der einen Seite zu Israel sagen, ja, okay, und auf der anderen Seite mit den anderen Ländern gute und enge Kontakte haben«, so Daul weiter. Wegen des großen Energiebedarfs werde Sarkozy auch an der »Äquidistanz« zwischen den USA und Russland nichts ändern. »Mit Energie können wir doch nicht ohne Russland leben in Europa. Das weiß er ganz genau«, betont Daul.
Die Erwartungen werden weiter gedämpft durch Sarkozys Andeutung, möglicherweise den Sozialisten Hubert Védrine als Außenminister in sein Kabinett zu holen. Védrine hatte als Außenminister der Kohabitationsregierung zwischen 1997 und 2002 vorgeschlagen, ohne Einverständnis Israels EU-Truppen in die Nahostregion zu entsenden. Ferner forderte er Wirtschaftssanktionen gegen Israel. Das bestätigt Skeptiker in ihrer Vermutung, die französische Außenpolitik werde ihre nicht gerade israelfreundliche Linie fortsetzen. Der Historiker Michael Wolffsohn von der Bundeswehr-Universität München glaubt allerdings auch nicht an eine wesentliche Verschlechterung. Denn, so sagte er der Jüdischen Allgemeinen: »Noch schlechter und unmoralischer kann die französische Nahostpolitik nach Chirac nicht mehr werden. Zu befürchten ist, dass sowohl die außenpolitische Tradition der Fünften Republik als auch die israel- und US-distanzierte öffentliche Meinung Frankreichs einen Kurswechsel erheblich erschweren.« Also doch Business as usual in der europäischen Außenpolitik?