Von Thomas Lachenmaier
Sie habe es sich zur Aufgabe gemacht, jeden Tag einen Menschen zum Lachen zu bringen, erzählte die Fotografin Ellen Auerbach einmal in einem Interview. Noch auf Bildern, die sie als hochbetagte Dame zeigen, beeindruckt ihr wacher, leicht verschmitzter und warmherziger Blick.
Als sie 1929 gemeinsam mit Grete Stern (1906-1999) in Berlin das nach beider Spitznamen benannte Werbestudio »ringl+pit« eröffnet, ist der experimentelle Avantgardestil mit dem spielerischen Sinn für Provokation schnell ihr Markenzeichen. Der frische und aufgeweckte Stil der Künstler- porträts, Werbe- und Sachfotografien findet auf Anhieb große Resonanz. Mit der Machtergreifung Hitlers emigriert die als Ellen Rosenberg in einem traditionell-bürgerlich jüdischen Elternhaus aufgewachsene Fotografin nach Palästina und später nach New York, wo sie 2004 starb.
Am 20. Mai wäre Ellen Auerbach 100 Jahre alt geworden. Die Münchner Pinakothek der Moderne zeigt noch bis zum 28. Mai neben einer kleinen Ausstellung ihrer Bilder den Dokumentarfilm ringl and pit des US-Regisseurs Juan Mandelbaum von 1995, der den Lebensweg der beiden Frauen nachzeichnet. Er ist auch das Dokument einer 70jährigen Freundschaft.
Ellen Auerbach studiert zunächst in Karlsruhe und Stuttgart Bildhauerei – bis sie zum ersten Mal mit einer Plattenkamera fotografiert. Als eine der ersten Frauen überhaupt macht sie die Fotografie zu ihrem Beruf. Sie gilt als eine der großen Fotografinnen des 20. Jahrhunderts. Noch in ihrer Berliner Zeit beginnt sie auch Kurzfilme zu drehen, unter anderem einen über Bertolt Brecht.
Ihre Bilder komponiert sie mit äußerster Präzision. Flächen und Linien fügen sich zu strenger Grafik. Mit einer Fotografie sei sie erst zufrieden, wenn man »hineingehen könne wie in ein großes fremdes Haus«, in dem man »in jedem Zimmer etwas Neues entdecken« könne. In Amerika, wo sie unter anderem für das Time Magazine arbeitet, erweitert sie ihr Spektrum und fotografiert auch soziale Themen. In ihren Bildern drückt sich auch ihre Zugewandtheit zu sozial benachteiligten Menschen aus, es sind poetische Aufnahmen, die ihre Gültigkeit nicht verlieren. In der Nachkriegszeit macht sie ausgedehnte Reisen, fotografiert Landschaften, Porträts, dreht Dokumentarfilme und übernimmt eine Dozentur für Fotografie. Im Alter von 50 Jahren, als sie den Eindruck gewinnt, ihre Kreativität habe sich erschöpft, beginnt sie ein völlig neues Leben und arbeitet als Kunsterzieherin für lernbehinderte Kinder.
Auf die Frage, wo denn ihre Heimat sei, erklärte die Fotografin einmal, sie fühle sich nicht als Europäerin oder Amerikanerin, sondern als »unzureichende Weltbürgerin«. Ellen Auerbach dachte nicht in nationalen Kategorien, sondern in mensch- lichen: »Ich suche immer und finde, was alle Menschen gemeinsam haben.«