»Danke, Göteborg, für dieses Monument.« George Braun, Chef der jüdischen Gemeinde Göteborgs, wirkte in seiner Rede zur Einweihung des Holocaust-Mahnmals Ende August sichtlich bewegt. Umso verärgerter ist der Gemeindechef nun darüber, dass das Denkmal zur Erinnerung an die Opfer der Schoa inzwischen einen der größten Kulturskandale Westschwedens ausgelöst hat. Dabei ging es einfach nur darum, nach Jahren endlich dem Wunsch der jüdischen Gemeinde nachzukommen, einen zentralen Ort des Erinnerns in Schwedens zweitgrößter Stadt zu etablieren.
Heute leben rund 2.200 Juden in Göteborg, eine kleine, aber vitale Gemeinde. »Jährlich besuchen uns rund 500 Schüler«, betont Gemeindechef George Braun. »Deshalb ist uns neben dem Erinnern auch der pädagogische Aspekt des Mahnmals wichtig.« Zusammen mit Göran Johansson, einem langjährigen Spitzenpolitiker der Sozialdemokraten im Distrikt Göteborg, ist Braun so etwas wie der Vater des Projekts. Seine Eltern haben die Schoa überlebt und fanden nach dem Zweiten Weltkrieg in Göteborg eine neue Heimat, so wie Tausende anderer Überlebender – einer von vielen Gründen für Braun, sich für den Bau des Mahnmals einzusetzen.
Dass die Wahl der Jury 2008 auf den Künstler Kent Karlsson fiel, hält Braun für einen Glücksgriff. »Karlsson hat einen starken realistischen Ausdruck gewählt, der auch das Schmerzvolle zeigt.« Seine Mischung aus Realismus und stilisierter Form stehe als Zeichen für Leben, Überleben und neues Leben, hieß es damals in der Begründung. Diese Meinung scheinen viele Göteborger zu teilen. Seit der feierlichen Enthüllung auf dem Bastionsplatz vor der Synagoge Ende August zu Schofartönen und Politikerreden hat das Mahnmal – ein unterbrochener Schienenkreis mit Kinderschuhen und eine vertikal aufragende grüne Glassäule – eine festen Platz in Göteborgs Zentrum.
Damals ahnte allerdings noch niemand, dass das Denkmal einen Monat später einen juristischen Zwist auslösen würde. Cecilia Borgström-Fälth von der Göteborger Kulturverwaltung staunte daher nicht schlecht, als kürzlich ein Beschluss des Oberverwaltungsgerichts auf ihren Schreibtisch flatterte. Darin heißt es, das Mahnmal sei auf unzulässige Weise zustande gekommen. Als Auftraggeberin des Mahnmals stehe nun die Göteborger Stadtverwaltung unter Beschuss, weil sie den Wettbewerb nicht öffentlich ausgeschrieben hatte.
»Das ist an sich nichts Ungewöhnliches«, erklärt Cecilia Borgström-Fälth achselzuckend. Neben öffentlichen Ausschreibungen sei es seit Jahren gang und gäbe, Aufträge an Künstler auf andere Weise zu vergeben. In diesem Fall waren sich Politiker, Kulturdezernat und Gemeinde einig, bei einem Thema wie der Schoa auf eine öffentliche Ausschreibung zu verzichten.
Das Kulturdezernat schlug daher zehn bekannte Künstler vor, deren Zahl sich nach weiteren Auswahlkriterien auf drei reduzierte. Eine Jury, bestehend aus Politikern, Vertretern der jüdischen Gemeinde und dem »Forum für lebendige Geschichte«, Stadtplanern und Kunstexperten, einigte sich schließlich auf den Entwurf des Göteborger Künstlers Kent Karlsson. »Der ganze Hergang war jederzeit transparent«, meint Cecilia Borgström-Fälth verständnislos. »Ob wir uns damit auf juristisch dünnem Eis bewegt haben, müssen nun unsere Rechtsberater klären.«
Denn an diesem Prozedere störte sich ein einzelner Künstler dermaßen, dass er die Stadt Göteborg wegen des möglichen Formfehlers verklagte. Nachdem die Klage in der ersten Instanz vom Amtsgericht abgewiesen worden war, legte der Künstler Berufung beim Oberverwaltungsgericht ein. Dass er damit durchkam, verwundert Gemeindechef Braun. »Das ist ein Wermutstropfen. Aber auf das Mahnmal wird es wohl keine Auswirkungen haben«, hofft er.
Cecilia Borgström-Fälth hält sich mit politischen Schlussfolgerungen zurück. Auch wenn die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts sie befremdet, bestehe wohl »keine Gefahr«, dass die Skulptur auf dem Bastionsplatz im Herzen Göteborgs wieder abgerissen wird. »Ich rechne mit einer Verwarnung für die Stadtverwaltung. Aber das Holocaust-Mahnmal bleibt«, ist sie sich ganz sicher. Katharina Schmidt-Hirschfelder
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