von Ayala Goldmann
Auf den ersten Blick sieht sie aus wie das nette Mädchen von nebenan. Clara Khoury trägt schwarze Jeans, Pullover und Stiefel. Unprätentiös wirkt sie, vielleicht ein bisschen reserviert. In Israel ist die 31-Jährige ein Star. Die arabisch-israelische Schauspielerin tritt nicht nur in Sayed Kashuas TV-Seifenoper Arab Work auf, die gerade beim Jewish Film Festival Berlin gezeigt wurde. Khoury spielte die Hauptrollen in Ranas Hochzeit von Hani Abu Assad und Die syrische Braut von Eran Riklis. Jetzt sitzt sie im Jüdischen Gemeindehaus in der Berliner Fasanenstraße, irritiert von den Sicherheitskontrollen, den altmodischen Gardinen und dem Lärm der S-Bahn, der durch das Fenster hereindringt. »Kann ich ein Glas Wasser haben?«
Als das Gespräch in Schwung kommt, wird schnell klar, worin Clara Khourys Begabung liegt. Es sind nicht nur die blaugrünen Augen, das große, ausdrucksvolle Gesicht und die Stimme, die tief und ver- schlafen klingen kann und im nächsten Moment hell und lebhaft. In »Arab Work« ist sie Bushra, die Frau des Journalisten Amjad, ständig damit beschäftigt, seine Angstneurosen in Schach zu halten. »Inzwischen spiele ich nicht mehr die Bräute, sondern die Mütter«, sagt die 31-Jährige, selbst nicht verheiratet, und lacht. Ihr Vater, der Schauspieler Makram Khoury, wurde 1945 in Jerusalem geboren. Seine Familie floh im 1948er-Krieg und kehrte später heimlich nach Israel zurück. »Ich bin hinter den Kulissen groß geworden, und wenn es keinen Babysitter gab, dann hat man mich mit Papa ins Theater geschickt«, erinnert sich Clara. In ihrer Heimatstadt Haifa kam es ihr normal vor, dass Juden und Araber befreundet waren. »Aber in der arabischen Gesellschaft nannte man mich den ›jüdischen Snob‹. Mit 17 habe ich mir eine Glatze schneiden lassen. Ich wollte die Regeln brechen – und ich wollte meine Freiheit als Frau.«
Clara Khoury nimmt den nächsten Schluck Wasser. Nach dem Abitur arbeitete sie als Requisitorin und studierte Film. »Aber die Lehrer haben mir immer gesagt, du musst vor der Kamera stehen.« Clara wurde in die Schauspielschule Bet Zvi aufgenommen. Sie arbeitete hart, vor allem an ihrem Hebräisch. Doch das half im Alltag nicht immer. »Man hielt mich für eine Italienerin oder Argentinierin. Wegen meines R. Und wenn ich sagte, ich bin Araberin, dann waren sie schockiert und sagten, du siehst gar nicht wie eine Araberin aus. Ich fand das schon immer beleidigend. Wie muss ein Araber denn aussehen – schwarz, hässlich?« Als sie die Schauspielausbildung abschloss, im Jahr 2000, begann die zweite Intifada. »Da ist meine Identität zusammengebrochen. Ich wussste nicht mehr, wer ich war. Palästinenserin? Israelin?« Sie arbeitete am Kasba-Theater in Ramallah, doch das war keine Lösung. »Weil ich auch dort schlecht behandelt wurde als moderne Frau – und weil ich anderen Schauspielern angeblich die Rollen weggenommen habe. Wer zur Hölle bist du überhaupt, Verräterin, du hast in Tel Aviv studiert! Und manche Schauspieler, die religiös waren, konnten mir nicht einmal die Hand schütteln.«
Jetzt wird ihre Stimme sehr leise. »Und wenn ich dann nach fünf Checkpoints von Ramallah nach Tel Aviv zurückkam, dann saßen meine jüdischen Freunde in Tel Aviv im Café und feierten Parties.« Die Hauptrolle in »Ranas Hochzeit«gab ihr wieder Halt und das Gefühl einer Mission. Dann zog sie nach Paris. »Ich wollte entkommen, aus Israel und aus Palästina, aber nach ein paar Monaten wurde ich depressiv. Und dann bin ich nach Haifa zurückgegangen, ins Haus meiner Eltern, und habe eine Therapie begonnen, und dann bekam ich die Syrische Braut, und seitdem läuft alles glatt.« An das Gefühl, überall auf der Welt eine Fremde zu sein, kann man sich gewöhnen, sagt Clara Khoury.
Doch der alltägliche Rassismus macht ihr immer noch zu schaffen. »Man fragt mich, du bist Araberin? Aber Christin, nicht?! Ist mir doch egal, ob ich Christin oder Muslimin bin. Religion bedeutet mir nichts.« Eine andere Standardfrage, die sie ärgert: »Man will wissen, woher ich komme, und ich sage: Haifa. Nein, sagen sie, aus welchem Dorf. Ich komme aber nicht vom Dorf!«
An diesem Abend im Berliner Gemeindehaus wäre Clara Khoury gern gefragt worden, wie es war, neulich für »Body of Lies« mit Leonardo DiCaprio zu drehen. Und, wie war es? Sie lacht. »Es war ganz normal. Eben Arbeit. Ich habe auch meinen Stolz.«