von Ingo Way
Ein Symbol des Ankommens wie des Neubeginns soll er sein – der geplante Anbau der Hochschule für Jüdische Studien (HFJS) in Heidelberg. Am Freitag, den 4. April, wird im Rahmen eines Festaktes der Grundstein gelegt. Auf dem bisherigen Hinterhof des Hauptgebäudes, einem Gründerzeit-Haus in der Altstadt, entsteht der moderne Neubau aus Stahlbeton und Glas. Bis 2009 soll er fertig sein, so dass die HFJS ihr 30-jähriges Bestehen in dem neuen Gebäudeensemble feiern kann. Dann sind endlich alle Bereiche der Hochschule unter einem Dach vereint: Hörsäle, Bibliothek, Rektorat, Verwaltung, das Zentralarchiv zur Erforschung der Geschichte der Juden in Deutschland und, ganz wichtig, die koschere Mensa, denn entgegen der Volksweisheit studiert ein leerer Bauch nicht gern.
Den Grundstein legt Baden Württembergs Ministerpräsident Günther Oettinger. »Diese Hochschule«, sagte Oettinger der Jüdischen Allgemeinen, »hat sich zu einem Ort jüdischer Kultur, Geschichte und Religion, zu einer renommierten Forschungseinrichtung und zu einem Forum der Erinnerung, der Wiederannäherung und des Dialogs entwickelt.« Die Existenz der HFJS ist für Oettinger »eine Auszeichnung für das Land und den Hochschulstandort Baden-Württemberg«. Die Hochschule ihrerseits, 1979 gegründet und vom Zentralrat der Juden in Deutschland getragen, fühlt sich in der Neckarstadt ebenfalls gut aufgehoben – steht man mit der engen Anbindung an die Universität doch in einer langen Wissenschaftstradition.
Das vergangene Jahr war ein turbulentes für die Hochschule für Jüdische Studien. Im Rahmen des Bologna-Prozesses musste auch die HFJS ihren Magisterstudiengang »Jüdische Studien« auf das Bachelor/Master-System umstellen. Der Staatsexamensstudiengang für jüdische Religionslehre wurde beibehalten, neu hinzu kamen der Bachelor-Studiengang »Gemeindearbeit« sowie die Master-Studiengänge »Rabbinat« und »Geschichte jüdischer Kulturen«. Die Zusammenarbeit mit der Universität wurde vertieft, ebenso wurden neue Kooperationen mit der Fachhochschule und der Pädagogischen Hochschule Heidelberg geschlossen, sodass die jüdischen und nichtjüdi- schen Studenten der HFJS ein fächerübergreifendes Angebot wahrnehmen können. Und das reicht von Philosophie, Geschichte und Bibelexegese über jiddische und hebräische Sprachwissenschaft und Literatur bis zu didaktischer und pädagogischer Praxis.
Liegt der Schwerpunkt auch auf der Ausbildung von Personal für die jüdischen Gemeinden, so legt die Hochschule doch größten Wert auf ihr wissenschaftliches Renom- mee. Rektor Alfred Bodenheimer betont: »In Europa sind wir eine Spitzeninstitution.« In der Tat gibt es keine vergleichbare jüdische Universität in Europa. Doch wie sieht es im internationalen Vergleich aus? »Natürlich sind die großen Institutionen für Jewish Studies in Israel und den USA personell und finanziell besser ausgestattet«, gibt Bodenheimer zu bedenken. »Aber wir haben im Bereich deutscher und europäischer jüdischer Geschichte – oder auch in der klassischen Bibelforschung – Kompetenzen, die dort fehlen und bei uns nachgefragt werden.« So ist etwa die Hebräische Universität in Jerusalem vor Kurzem an die HFJS mit einer Einladung zur Zusammenarbeit herangetreten. Und die New York University hat sogar Interesse an einem gemeinsamen Programm bekundet. Alles noch nicht spruchreif, und doch: »International sind wir sowohl gut vernetzt als auch anerkannt«, sagt Bodenheimer nicht ohne einen gewissen Stolz.
Auch in Deutschland zeigt sich zunehmende Anerkennung. Im November 2007 wurde die HFJS Mitglied in der Hochschulrektorenkonferenz (HRK) und erhielt damit die Möglichkeit, in der deutschen Wissenschaftslandschaft eigene Positionen einzubringen und Einfluss auszuüben (vgl. JA vom 31. Januar). In diesem Jahr könnte noch eine Hürde genommen werden. Ende April, direkt nach Pessach, will der Wissenschaftsrat mit einem Akkreditierungsverfahren beginnen, also überprüfen, ob die HFJS universitären Standards entspricht. In Heidelberg ist man zuversichtlich.
Doch auf den bereits erhaltenen wie den noch zu erwartenden Lorbeeren will Rektor Bodenheimer sich nicht ausruhen. Das neue Gebäude soll auch neue Ideen mit sich bringen. »Was sich zunächst ändern wird, ist die Sichtbarkeit der Hochschule«, sagt Bodenheimer. »Doch wir wollen die neuen Räume auch mit neuen Inhalten füllen.« Die Hochschule mit ihren acht Lehrstühlen soll sich gesamtgesellschaftlich engagieren, indem sie sich mit Fragen von Koexistenz und interkultureller Kommunikation in einer pluralen Gesellschaft befasst. Pläne liegen vor, doch über ungelegte Eier möchte Bodenheimer vorerst nicht reden.
Fest steht allerdings, dass die HFJS seit dem 1. April erstmals einen festangestellten Hochschulrabbiner hat: Shaul Friberg, vormals in Palma de Mallorca tätig, kümmert sich um Ausbildung und spirituellen Beistand für die 160 Studenten.