von Patrick Gensing
Die NPD will mit aller Macht am 27. Januar in den niedersächsischen Landtag einziehen. Denn die Parteistrategen wissen: Der Weg in den Bundestag führt nur über Erfolge im bevölkerungsreichen Westen. Daher setzt die NPD zur Zeit die ihr zur Verfügung stehenden Ressourcen ein, um in Niedersachsen einen öffentlichkeitswirksamen Wahlkampf auf die Beine zu stellen.
Teilweise mit Erfolg: Spitzenkandidat Andreas Molau, ein ehemaliger Waldorflehrer, schaffte es, die Grabenkämpfe in der rechtsextremen Bewegung Norddeutschlands vorerst zu beruhigen. Er gewann Neonazis, die der NPD sonst eher distanziert gegenüberstehen, für sich und schuf somit eine aktionsfähige Basis. Die verschiedenen Akteure ziehen bislang an einem Strang. Molau legte zudem ein Wahlprogramm vor, welches über die üblichen Parolenansammlungen hinausgeht. Inhaltlich stimmte er seine Forderungen auf Niedersachsen ab, setzte auf Naturschutz, Mittelstandsinteressen und sein Lieblingsthema Schulpolitik. So fordert die NPD eine Art Apartheidspolitik, indem sie deutsche und aus- ländische Schüler trennen will.
Der NPD-Wahlkampfauftakt im September im Congress Centrum zu Hannover war aus Sicht der NPD ein voller Erfolg. Die gesamte Parteispitze und mehrere hundert Anhänger bejubelten die Rede Molaus. Darin wandte er sich offen gegen den Zentralrat der Juden: »Ihre Religionsgemeinschaft, Frau Knobloch, ist hierzulande ohnehin überprivilegiert. Ich versichere Ihnen: Wenn die NPD in Deutschland die Richtlinien der Politik bestimmt, dann können Sie diese Sonderbehandlung vergessen.«
Doch vom ausgegebenen Wahlziel »sechs Prozent plus X« ist die NPD weit entfernt. In Umfragen läuft sie unter »Sonstige«, die gemeinsam zuletzt auf vier Prozent kamen. Damit dürfte die NPD maximal bei zwei bis drei Prozent liegen. Um aber Optimismus zu verbreiten, erfand die Partei Umfrageergebnisse: Angeblich könne die NPD mit mehr als fünf Prozent rechnen, soll das Meinungsforschungsinstitut Forsa herausgefunden haben, berichtete die Partei. Forsa dementierte dies vehement. Aber selbst wenn die NPD zwei bis drei Prozent der Stimmen einfahren würde, wäre dies für sie ein Erfolg. Denn damit strichen die Neonazis erneut staatliche Mittel in beträchtlicher Höhe ein. Und sie haben zudem in einem westdeutschen Bundesland ihre Kampagnenfähigkeit be-
wiesen. Psychologisch und organisatorisch wichtig für kommende Wahlen.
Diese Kampagnenfähigkeit lässt sich auch daran ablesen, dass die NPD auf aktuelle Entwicklungen reagiert und ihren Wahlkampf anpasst: Zuletzt kündigte sie an – angespornt von der medialen und politischen Kampagne gegen kriminelle Jugendliche –, im Wahlkampf wieder stärker auf die Hetze gegen Ausländer zu setzen. Die Rechtsextremisten holten ihre Parole »Kriminelle Ausländer raus« wieder hervor und kommentierten die Vorstöße von Hessens Ministerpräsident Roland Koch zufrieden: »Damit macht er letztendlich einen Teil der NPD-Positionen hoffähig«, so NPD-Generalsekretär Peter Marx. Wortkreationen der NPD, wie beispielsweise »deutschfeindliche Straftaten«, sind nun auch in Massenmedien wie der Bild-Zeitung zu lesen.
Der NPD in Hessen nützt dies bei ihrem Wahlkampf zur ebenfalls Ende Januar stattfindenden Wahl aber nichts. Wegen ihrer personellen und organisatorischen Schwäche werden ihr kaum Chancen eingeräumt, ein Ergebnis von mehr als einem Prozent zu erreichen. Dies stellt die magische Grenze dar, ab der die Wahlkampfkostenerstattung fließt. Der junge Landeschef Marcel Wöll sorgt meist durch Pro-
bleme mit der Justiz und durch wilde Aufmärsche für Schlagzeilen. Zudem brach der NPD in Hessen zuletzt noch ihre Jugendorganisation weg, da der Landes-
vorsitzende der »Jungen Nationaldemo-
kraten« seinen Ausstieg erklärte. Mehrere Mitglieder des Vorstands folgten.
Dies ist allerdings lediglich ein kurzfristiger Rückschlag. Denn auf lange Sicht verfolgen die NPD-Strategen eine Meta-Politik: Völkisches Gedankengut soll verbrei- tet, als akzeptierte politische Position verankert und so der »Kampf um die Köpfe« gewonnen werden. Durch eine kulturelle Hegemonie soll die Machtübernahme vorbereitet werden. Was danach folgen soll: die Volksgemeinschaft. Die Teilnahme an demokratischen Wahlen ist für die NPD nur ein Mittel, um dieses Ziel zu erreichen.