Sderot

Ferien ohne Terror

von Ralf Balke

»Du hast genau zwanzig Sekunden Zeit«, sagt Etty Shapadov, Mitarbeiterin des Kulturzentrums von Sderot. »Zwischen dem Ertönen des Alarmsignals, das durch überall in der Stadt verteilte Lautsprecher übertragen wird, und dem Einschlag einer Kassam-Rakete liegen genau zwanzig Sekun- den, die einem bleiben, um irgendwie Schutz zu finden. Für Erwachsene ist das schon ein Problem, für Kinder ein Ding der Unmöglichkeit.« Als Mutter eines sechsjährigen Jungen weiß sie, wie sich der ständige Terror gerade auf die Psyche von Kindern auswirkt. »Allein, wenn das markerschütternde Alarmsignal erklingt, gerät mein Sohn in totale Panik.«
Die meisten Kinder und Jugendlichen in der israelischen Stadt Sderot leiden deshalb an posttraumatischen Streßsymptomen. Schlafstörungen und Bettnässen sind häufige Erscheinungen, viele Kinder müssen Medikamente zur Beruhigung nehmen. Und auch die Eltern leben in ständiger Angst um ihre Kinder. »Vor zwei Wochen landete eine Kassam-Rakete genau auf dem Schulgelände. Gott sei Dank geschah dies vor Unterrichtsbeginn, morgens um 7 Uhr«, berichtet Shapadov. Mittlerweile wurde das Schuljahr wegen der Gefahrenlage vorzeitig beendet. Weit mehr als 1000 Kassam-Raketen schossen palästinensische Terroristen in den letzten drei Jahren aus dem in unmittelbarer Nachbarschaft gelegenen Gasastreifen auf die israelische Kleinstadt, allein hundert in der zweiten Juniwoche. Acht Tote, darunter mehrere Kinder, sind bis dato zu beklagen. Entsprechend verzweifelt sind die Bewohner von Sderot. Mittlerweile machen sie mit Sitzblockaden und Hungerstreiks auf ihre unerträgliche Situation aufmerksam. Den Organisatoren von »malereimedizinmusik« sowie des Vereins »Begegnungen 2005«, der unter anderem vom Altbundeskanzler-Enkel Karl Adenauer sowie der Schauspielerin Iris Berben unterstützt wird, war es daher ein ganz besonderes Anliegen, eine Gruppe Jugendlicher aus Sderot nach Deutschland einzuladen. Sie wollten ihnen eine raketenfreie Zeit ermöglichen. Untergebracht bei Gastfamilien in Düsseldorf lernen sie hier gleichaltrige Deutsche, aber auch junge Türken kennen, feiern, tanzen und musizieren zusammen. »Musik ist die Sprache der Verständigung zwischen allen drei Gruppen«, sagt Michael Krebs vom Verein »malereimedizinmusik«, durch dessen persönliches Engagement diese Begegnung erst möglich gemacht wurde. »Und sie hat eine wichtige therapeutische Funktion«, ergänzt Etty Shapadov. Sie präsentiert nicht ohne Stolz eine CD, aufgenommen auf dem »Festival Schemesch« (zu Deutsch: Festival Sonne), das im März 2006 in Sderot veranstaltet wurde. »Darin konnten Jugendliche aus Sderot ihre Ängste und Gefühle in Liedern verarbeiten und zum Ausdruck bringen.« Am Mittwoch stand zudem ein Treffen mit Mitgliedern der Düsseldorfer jüdischen Gemeinde, mit türkischen Jugendlichen und deutschen Politikern auf dem Programm. Wie auch immer sie dieses offizielle Programm empfinden – für die Teenager ist der Aufenthalt in Deutschland auf jeden Fall »ein Geschenk«, wie die Gruppenleiter betonen. Hier können sie die tägliche Bedrohung vergessen, auch wenn das nicht immer klappt. »Soeben habe ich gehört, daß eine Kassam-Rakete neben einer Schule eingeschlagen ist und einen Leitungsmasten getroffen hat«, meldet Eli Biton, Stadtrat von Sderot und einer der Begleiter der Jugendgruppe. Was während der Ferien in Düsseldorf nur eine Nachricht ist, wird nächste Woche wieder zur realen Bedrohung.

Fernsehen

Mit KI besser ermitteln?

Künstliche Intelligenz tut in Sekundenschnelle, wofür wir Menschen Stunden und Tage brauchen. Auch Ermittlungsarbeit bei der Polizei kann die KI. Aber will man das?

von Christiane Bosch  21.04.2025

Reaktionen

Europäische Rabbiner: Papst Franziskus engagierte sich für Frieden in der Welt

Rabbiner Pinchas Goldschmidt, der Präsident der Konferenz Europäischer Rabbiner, würdigt das verstorbene Oberhaupt der katholischen Kirche

 21.04.2025

Berlin

Weitere Zeugenvernehmungen im Prozess gegen Angreifer auf Lahav Shapira

Der Prozess gegen Mustafa A. am Amtsgericht Tiergarten geht weiter. Noch ist unklar, ob am heutigen Donnerstag das Urteil bereits gefällt wird

 17.04.2025

Indischer Ozean

Malediven will Israelis die Einreise verbieten

Es ist nicht die erste Ankündigung dieser Art: Urlauber aus Israel sollen das Urlaubsparadies nicht mehr besuchen dürfen. Das muslimische Land will damit Solidarität mit den Palästinensern zeigen.

 16.04.2025

Essen

Was gehört auf den Sederteller?

Sechs Dinge, die am Pessachabend auf dem Tisch nicht fehlen dürfen

 11.04.2025

Spenden

Mazze als Mizwa

Mitarbeiter vom Zentralratsprojekt »Mitzvah Day« übergaben Gesäuertes an die Berliner Tafel

von Katrin Richter  10.04.2025

Jerusalem

Oberstes Gericht berät über Entlassung des Schin-Bet-Chefs

Die Entlassung von Ronen Bar löste Massenproteste in Israel aus. Ministerpräsident Netanjahu sprach von einem »Mangel an Vertrauen«

 08.04.2025

Würdigung

Steinmeier gratuliert Ex-Botschafter Primor zum 90. Geburtstag

Er wurde vielfach ausgezeichnet und für seine Verdienste geehrt. Zu seinem 90. Geburtstag würdigt Bundespräsident Steinmeier Israels früheren Botschafter Avi Primor - und nennt ihn einen Vorreiter

von Birgit Wilke  07.04.2025

Weimar

Historiker Wagner sieht schwindendes Bewusstsein für NS-Verbrechen

Wagner betonte, wie wichtig es sei, sich im Alltag »gegen Antisemitismus, gegen Rassismus, gegen Muslimfeindlichkeit und gegen jede Form gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit« zu engagieren

 07.04.2025