von Johannes Boie
Die Ernennung der Gouverneurin von Alaska, Sarah Palin, zur republikanischen Kandidatin für das Vizepräsidentenamt der USA könnte dem demokratischen Bewerberteam um Barack Obama doch noch in die Hände spielen. Der demokratische Kandidat hatte es bislang nicht einfach, jüdische Wähler hinter sich zu versammeln. Obama war aufgrund seiner weniger aggressiven Haltung Iran gegenüber vor allem konservativeren Juden eher unsympathisch. Doch Sarah Palins konservativ-christliche Weltsicht, mit der ihr Chef John McCain vor allem im Feld der 20 Millionen evangelikalen Wähler nach Stimmen fischt, verschreckt viele amerikanische Juden. Palins evangelikale Weltsicht rückt sie in die Nähe jener republikanischen Israel-Unterstützer, die das Land aus rein religiösen Gründen von den USA schützen lassen wollen. Die streng christlichen Anhänger dieser Gruppierung sehen Israel als Land, in dem »der Heiland« erneut auf die Erde zurückkehren werde. Vereinfacht gesagt, werden die jüdischen Israelis als Platzhalter betrachtet, bevor im Nahen Osten das endgültige (christliche) Gottesreich errichtet werden kann. Da die Unterstützung Israels in dieser großen Gruppe religiös motiviert ist, ist sie oft auch so radikal, dass Israel eher geschadet als geholfen wird: Zum einen sind Evangelikale außenpolitisch als sehr aggressiv einzuschätzen.
Viel schlimmer aber als die außenpolitische Aggression, die sich in Palins Fall mit Unerfahrenheit vermengt, dürfte für viele amerikanische Juden ihre Nähe zu missionarischen Christen sein. Dass Palin im August eine Rede des Präsidenten der radikalen Juden-Missionare »Jews for Jesus« besucht hat, sorgte vergangene Woche bei republikanischen Unterstützern für Sorgen. Medienberichten zufolge hatte der Ober-Missionar David Brickner in seiner Rede in Palins Kirchengemeinde Selbstmordattentate in Israel als »Gottes Strafe« bezeichnet, die wegen der »Ungläubigkeit« der in Israel lebenden Juden über das Land hereinbreche.
Die Bestürzung über Palins Ausrichtung war so groß, dass die mächtige pro-israelische Lobbygruppe American Israel Public Affairs Committee (AIPAC) die Kandidatin zu einem vertraulichen Gespräch gebeten haben soll. Das republikanische Team widersprach der Darstellung und erwähnte lediglich, Palin habe sich während des Nominierungsparteitags in St. Paul AIPAC-Vertretern »vorgestellt«. Nach dem Gespräch sagte AIPAC-Sprecher Josh Block, man sei froh darüber, dass Palin ihr »tiefes, persönliches und lebenslanges Engagement für ein sicheres Israel« zum Ausdruck gebracht habe. Und dennoch wollen im Wahlkampf die kritischen Stimmen nicht
verstummen.
Robert Wexler, demokratischer Congress-Abgeordneter aus Florida, hat Palin harsch für ihren gemeinsamen Auftritt mit dem rechtsorientierten Politiker Pat Buchanan kritisiert. Der liegt zwar neun Jahre zurück, passt aber ins Bild: Buchanan, ein republikanisches Urgestein, muss sich seit Jahrzehnten immer wieder gegen Vorwürfe des Antisemitismus und der Verharmlosung des Holocausts wehren.
Angesichts dieser Vorwürfe gegen Palin klingen inzwischen auch ihre jüdischen Unterstützer nachdenklich. Zwei prominente Juden aus Alaska, unter ihnen der Chabad-Rabbiner Yosef Greenberg, haben Palin in den vergangenen Tagen öffentlich unterstützt, mussten aber gleichzeitig eingestehen, dass sie die Kandidatin niemals über Nahost-Politik reden hörten und dass Palin auch noch nie in Israel gewesen sei. Kein Wunder also, dass mittlerweile die zahlreichen E-Mail-Verteiler der Demokraten angelaufen sind, um die jüdischen Wähler Amerikas über Palins Ausfälle zu informieren. Gleichzeitig weisen republikanische Spin-Doktoren auf ein Video hin, in dem eine Israelfahne in Palins Büro zu sehen sei.
Für den Ausgang der Wahl dürfte dieser Teil der Schlammschlacht allerdings nicht entscheidend sein. Palin ist strikt gegen Abtreibung, auch im Falle von Vergewaltigung, sie stellt die Genesis über die Evolutionstheorie und glaubt, der Klimawandel sei nicht von Menschen zu verantworten. Damit dürfte sie weitaus mehr Menschen auf ihre Seite ziehen, als der kritische Kurs amerikanischer Juden ihr gegenüber verprellen kann.