von Miryam Gümbel
Handlich ist die 384 Seiten umfassende »Kleine jüdische Geschichte« von Michael Brenner, die er im Gespräch mit der Autorin und Fernsehmoderatorin Amalie Fried auf Einladung des Kulturzentrums der IKG am Jakobsplatz vorgestellt hat. Klein allerdings wollten sie weder Ellen Presser vom Kulturzentrum bei ihrer Begrüßung nennen noch der Mitveranstalter Verleger Wolfgang Beck, in dessen Haus sie erschienen ist. Dieser bezeichnete es als ein kleines Wunder, dass es Brenner gelungen st, eine 3000-jährige reiche Weltgeschichte nicht in einen ausladenden Wälzer, sondern in eine höchst einladende und überschaubare Form zu bringen. Der Verleger gab auch der Hoffnung Ausdruck, das dieses Buch dazu beitragen könne, im Umkreis politischer Bildung »einer Unkenntnis, wie sie leider weit verbreitet ist, entgegenzuwirken««
Michael Brenner ist seit 1997 Professor für Jüdische Geschichte und Kultur an der Ludwig-Maximilians-Universität München. Ebenso pointiert, wie er im Buch die einzelnen Epochen dargestellt und mit einprägsamen Bildern illustriert hat, stellte er im Gespräch mit Amelie Fried einzelne Punkte heraus, ohne deren Einbettung in das Gesamte zu verlieren. Als eines der wichtigen Elemente hat er die Bewegung des jüdischen Volkes von einem Ort zum anderen mit einem großen, zusammenfassenden Bogen überspannt. Damit hat er Charakteristika herausgearbeiet – von den Überlieferungen in Tora und Talmud bis zum Zionismus. »Ein wandernder Aramäer war mein Vater und er zog hinunter nach Ägypten« heißt es schon im Deuteronomion. Eine Haggada-Handschrift aus dem 15. Jahrhundert zeigt als Illustration den kleinen Wanderer. Abbildungen aus dem Buch waren bei dessen Vorstellung eingeblendet und erleichterten es Brenner und Fried, das Publikum auf ihre historische Zeitreise mitzunehmen. Den großen Wendepunkt illustrierte die berühmte Abbildung auf dem Titusbogen, die den Triumphzug der Römer mit dem geraubten Tempelschatz zeigt. Sie bezieht sich auf die Verfolgungen unter Antiochos im zweiten Jahrhundert vor der Zeitrechnung. Sie nimmt zugleich aber auch Bezug auf die im Hochmittelalter aktuellen Vertreibungen aus deutschen Städten. Dass sie sich in dem Sidur bei den Gebeten und Trauerliedern zum 9. Aw befindet, an dem der Zerstörung der Tempel in Jerusalem gedacht wird, unterstreicht die Kontinuität im Wandel der Geschichte. Da geht es um die Situation der Juden im christlichen Europa ebenso wie im islamischen Orient. Die Pogrome Osteuropas, die Emigration in die Vereinigten Staaten haben ihren Platz ebenso wie die Schoa.
In das Heute leitete Brenner mit zwei Abbildungen über: Eines davon war ein Poster der Zionistischen Vereinigung Holocaustüberlebender in Deutschland und der Zionistischen Jugendvereinigung. Zwei Menschen mit Gepäck, schattenrissartig dargestellt, teilen sich das Bild. Eine Hälfte ist dunkel, die Kulisse New Yorks im Hintergrund. Die andere Hälfte ist hell und zeigt die Züge der Karte Israels. Der begleitenden Texte bedarf es kaum, um zu sehen, dass die richtige Wahl der Weg nach Erez Israel sein sollte. Erstaunen rief schließlich das Bild von Leonhard Nimoy als Mr. Spock hervor. Diejenigen Juden, die sich für Amerika entschieden hatten, haben dort ihre Spuren hinterlassen. Ihre Präsenz in der Filmbranche ist bekannt. Doch weshalb hatte Brenner »Mr. Spock« ausgewählt, die Hand zur vulkanischen Grußgeste erhoben?
Die Antwort, die er im Gespräch mit Amelie Fried gab, war so einfach wie verblüffend: Leonard Nimoy hat als Kind ostjüdischer Einwanderer den jüdischen Priestersegen während der Synagogengottesdienste erlebt. Diese Segenshaltung bringt er in der vulkanischen Geste ein. Auch von Bob Dylan hatte Brenner ein nicht alltägliches Bild zur Hand: Es zeigt die Musikikone während der Bar Mizwa seines Sohnes mit Tallit und Gebetsriemen an der Klagemauer.
Nach einer intensiven Diskussionsrunde verabschiedete Ellen Presser ihre Gäste dann mit der Zusammenfassung: »Eine kleine jüdische Geschichte mit großem Erkenntniswert.«