Roman Polanski

Faszination des Dunklen

von Rüdiger Suchsland

Kaum zu glauben, dass er schon 75 wird. Noch immer hat sich Roman Polanski nicht nur äußerlich – lange Haare, federnder Gang – etwas Jugendliches bewahrt. »Ich bin noch nicht fertig«, erklärte er erst kürzlich. »Ich habe bisher noch keinen Film gemacht, den ich ganz als ›meinen Film‹ empfinde, meinen ›Moby Dick‹.«
Humor und Horror – diese Paarung prägt Polanskis Werk. »Die dunkle Seite fasziniert mich«, sagt er, ergänzt aber schnell, dass es immer auch »die helle Seite« gibt, dass er vieles nicht allzu ernst meint. Sogar seinem Schoafilm Der Pianist kann man das ansehen: Im besetzten Warschau zeigt er die Begegnung zwischen dem im Untergrund versteckten Wladyslaw Szpilman und seinem potenziellen Mörder in einer chaplinesken Szene, in der der halb verhungerte Pianist vergeblich versucht, eine Gurkendose mit einem Schürhaken zu öffnen.
Roman Polanski ist ein Regisseur, der eher den Teufel sucht als Gott. Egal, ob das Ergebnis die Gestalt einer grotesken Komödie hat – Tanz der Vampire 1967 – oder die einer einfühlsam-surrealen Schizophreniestudie – Ekel 1965: Fast immer verwandelt er das Böse in reale Erfahrung, holt es in die Wirklichkeit. Polanski hat dies »Kino der reinen Evidenz« genannt. Die Dinge bedeuten sich selbst, keine Metapher. »Ich will einfach, dass der Zuschauer sich über nichts sicher ist. Das ist das Interessante: die Unsicherheit.«
Seine frühen Filme entwerfen Topografien der Einsamkeit: Messer im Wasser 1963, Wenn Katelbach kommt... 1966 und Macbeth 1971. Kurz nach seinem größtem Publikumserfolg, Rosemaries Baby 1968, der heute noch so unmittelbar schockiert, wie vor 40 Jahren, holte der Horror Polanski persönlich ein, mit der Ermordung seiner hochschwangeren Frau Sharon Tate durch die »Manson Family« 1969. Vieles spricht dafür, dass Polanski dieses Erlebnis bis heute nicht wirklich verwunden, sondern nur überlebt hat. Aber vermutlich galt schon immer, dass man seine ganze Kunst als einen solchen Kampf ums Überleben verstehen musste. Polanski, 1933 als Sohn polnischer Juden in Paris geboren, entkam als Kind der Schoa nur, indem er die Familie im Ghetto von Krakau zurückließ. Die Mutter wurde in Auschwitz ermordet. Er selbst überlebte mithilfe einer katholischen Familie – seinen Filmen liegt der Katholizismus immer sehr nahe. Auch die ersten Nachkriegsjahre waren geprägt von Gewalt und traumatischen Erfahrungen, die er in seiner Autobiografie Roman und indirekt auch in dem Film Oliver Twist 2005 beschrieben hat. 1962 emigrierte er aus dem kommunistischen Polen nach Frankreich, wo er wieder seit 1977 lebt – aus den USA floh er nach bis heute unbewiesenen Vorwürfen sexuellen Missbrauchs einer Minderjährigen.
Bei wenigen Regisseuren liegen direkte Bezüge zwischen Biografie und Werk so auf der Hand wie bei Polanski. Dennoch sollte man sich vor voreiligen Schlüssen hüten. Er, der früher auch als Schauspieler auftrat, hat sich in Chinatown ein besonders eindringliches Kinodenkmal gesetzt: Er spielt dort einen Ganoven, der dem Detektiv (Jack Nicholson) mit einem Messer die Schnüffel-Nase aufschlitzt – ein deutliches Zeichen.
Polanski hat in seiner Karriere fast alle Genres erprobt. Thriller liegen ihm inzwischen, seit er sich von den absurden Komödien verabschiedete, offenbar am meisten. Sein bester Film? Vielleicht Chinatown, weil er dort die Eleganz der Form auf die Spitze treibt, Glück und Horror, Realismus und Romantik verbindet, und am Ende ganz persönlich wird: in der Anteilnahme für einen unperfekten Menschen. Bis hin zum Pianist ist Polanskis Werk von solch unmittelbarer Empathie ebenso geprägt, wie von Distanz zu allen Erlösungsangeboten. Es sind ungeschützte Filme, die auf Sinnstiftung keinen Wert legen. Dafür kann man dort erfahren, was es bedeuten kann, in der Unsicherheit zu leben.

Flüchtlingshilfswerk

Israel verbietet UNRWA Arbeit auf seinem Staatsgebiet

Israel schränkt die Arbeit des UN-Hilfswerks für die Palästinenser nach Terrorvorwürfen massiv ein

 28.10.2024

Berlin

Schimon Stein: Jüdisches Leben in Deutschland bleibt bedroht

»Der Schutz des jüdischen Lebens ist zum deutschen Mantra geworden«, so der Ex-Botschafter

 23.10.2024

Schloss Meseberg

Scholz dankt Katar für Vermittlung im Nahost-Krieg

Das Emirat ist Vermittler, gilt aber auch als Terror-Finanzier

 23.10.2024

Nahost

Baerbock macht sich in Beirut Bild der Lage

Die Außenministerin warnt vor »völliger Destabilisierung« des Libanon

 23.10.2024

Nahost-Krieg

London schränkt Waffenexporte nach Israel ein

Staatssekretärin Anneliese Dodds spricht von einer Begehung mutmaßlicher Kriegsverbrechen

 23.10.2024

Video

Was Sinwar kurz vor dem Überfall auf Israel machte

Die israelischen Streitkräfte haben Videomaterial veröffentlicht, das Yahya Sinwar am Vorabend des Hamas-Überfalls am 7. Oktober 2023 zeigt

 20.10.2024

Gaza

100.000 Dollar für jede lebende Geisel

Der Unternehmer und ehemalige Sodastream-CEO Daniel Birnbaum hat den »guten Menschen in Gaza« ein Angebot gemacht

 20.10.2024 Aktualisiert

Feiertage

Chatima towa, oder was?

Was von Rosch Haschana über Jom Kippur bis Sukkot die korrekte Grußformel ist

von Rabbiner Yaacov Zinvirt  24.10.2024 Aktualisiert

Baden-Württemberg

Jüdisches Mosaik in Karlsruhe beschädigt

War es ein Unfall, Vandalismus oder eine gezielte Tat?

 15.10.2024